Fragerunde Ausbilder:innenlehrgang - Rechtliches
Im Rahmen des jüngsten Ausbilderlehrgangs fand eine rege Diskussionsrunde zu rechtlichen Themen statt, die den Ausbildungsalltag prägen. Nachfolgend finden Sie eine Zusammenfassung der wichtigsten Fragen und der dazugehörigen juristischen Perspektiven aus dieser Fragerunde:
Thema: Homeoffice für Lehrlinge
Frage: Unter welchen Bedingungen ist Homeoffice für Lehrlinge zulässig und wie gehen Unternehmen in der Praxis damit um?
Juristische Perspektive: Aus juristischer Sicht besteht kein Rechtsanspruch auf Homeoffice für Lehrlinge. Die Ermöglichung von Homeoffice beruht stets auf einer freiwilligen Vereinbarung. Obwohl das Gesetz Homeoffice für Lehrlinge prinzipiell nicht vorsieht, ist es in Ausnahmefällen und in sehr geringem Umfang zulässig, sofern der Ausbildungscharakter des Lehrverhältnisses gewahrt bleibt. Die Vereinbarkeit ist im Einzelfall zu prüfen und hängt stark vom Lehrberuf ab. Lehrberechtigten wird dringend empfohlen, die im Homeoffice durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen lückenlos zu dokumentieren.
Thema: Aufsichtspflicht im Homeoffice
Frage: Wie kann die Aufsichtspflicht des Lehrberechtigten gewährleistet werden, wenn der Lehrling im Homeoffice arbeitet?
Juristische Perspektive: Rechtlich ist zu beachten, dass die Fürsorge- und Aufsichtspflicht des Lehrberechtigten auch bei einer Tätigkeit des Lehrlings im Homeoffice uneingeschränkt fortbesteht. Der Lehrling ist der direkten Aufsicht jedoch entzogen, was einen praktischen Spagat darstellt. Eine pauschale Lösung zur Gewährleistung der Aufsichtspflicht existiert nicht; die Umsetzung muss situationselastisch und im Einzelfall festgelegt werden. Als mögliche Kontrollinstrumente kommen technische Lösungen oder regelmäßige telefonische Kontaktaufnahmen in Betracht. Eine Differenzierung bei der Gewährung von Homeoffice nach Kriterien wie Volljährigkeit ist als sachliche Rechtfertigung zulässig.
Thema: Homeoffice im Krankenstand
Frage: Besteht die Gefahr, dass die Möglichkeit von Homeoffice anstelle eines Krankenstandes Lehrlinge unzulässig unter Druck setzt, sich nicht krankzumelden?
Juristische Perspektive: Aus juristischer Perspektive ist die Sorge berechtigt, dass die Möglichkeit von Homeoffice anstelle eines Krankenstandes einen unzulässigen Druck auf Lehrlinge ausüben könnte, sich nicht krankzumelden. Dieses Spannungsfeld ist vergleichbar mit zwingenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen (z. B. für Schwangere), die nicht freiwillig umgangen werden dürfen, um zu verhindern, dass Arbeitnehmer aus Sorge vor Karrierenachteilen ihre Gesundheit gefährden. Aufgrund der erhöhten Fürsorgepflicht gegenüber Lehrlingen ist hier besondere Vorsicht geboten.
Thema: Verwendung von Fotos als Beweismittel
Frage: Darf ich als Beweismittel ein Foto von einem Lehrling machen, der sich während des Krankenstandes z.B. am Badesee aufhält, oder verstoße ich damit gegen den Datenschutz?
Juristische Perspektive: Im arbeitsgerichtlichen Verfahren gilt grundsätzlich kein Beweismittelverwertungsverbot, weshalb auch Fotos als Beweismittel verwertet werden könnten. Es ist jedoch zu beachten, dass der Aufenthalt an einem bestimmten Ort per se noch keinen Krankenstandsmissbrauch darstellt. Entscheidend ist ausschließlich, ob ein „grob genesungsschädliches Verhalten“ vorliegt, was im Einzelfall zu prüfen ist. Auch wenn das Foto arbeitsrechtlich verwertbar sein kann, könnten datenschutzrechtliche Aspekte eine andere Seite der Medaille sein.
Thema: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Frage: Was wäre bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und inwieweit hat der Betriebsrat Mitspracherecht?
Juristische Perspektive: Die rechtliche Vorgehensweise bei sexueller Belästigung hängt von den konkreten Umständen und den geplanten Maßnahmen ab. Ist eine Beendigung des Dienstverhältnisses beabsichtigt, muss der Betriebsrat nach den formalen gesetzlichen Vorgaben eingebunden werden. In der Phase der Sachverhaltsermittlung kann es jedoch geboten sein, den Kreis der Informierten eng zu halten, um den vermeintlichen Täter zu schützen, falls sich die Vorwürfe als haltlos erweisen.
Thema: Umfang der Aufsichtspflicht (vor Ort)
Frage: Wie eng ist die Aufsichtspflicht zu sehen? Stellt es eine Pflichtverletzung dar, wenn der Ausbilder den Lehrling für einige Stunden allein im Betrieb lässt, um einen externen Termin wahrzunehmen?
Juristische Perspektive: Die Aufsichtspflicht ist nicht als lückenlose persönliche Überwachung zu verstehen. Ein Lehrling ist kein Kleinkind. Das kurzzeitige Verlassen des Betriebs durch den Ausbilder für einen Geschäftstermin, während der Lehrling angewiesen wird, die Stellung zu halten, stellt keine Verletzung der Aufsichtspflicht dar.
Thema: Teilnahme an Betriebsveranstaltungen
Frage: Wenn es Teamtage, Sportveranstaltungen oder Wandertage gibt, ist der Lehrling dann auch berechtigt, daran teilzunehmen?
Juristische Perspektive: Rechtlich gibt es keine sachliche Grundlage, Lehrlinge von allgemeinen Betriebsveranstaltungen wie Team-Building-Events oder Sporttagen auszuschließen. Eine Einbindung ist zur Förderung der Integration und des Betriebsklimas sogar geboten und im Sinne des Unternehmens, um das Verbundenheitsgefühl zu stärken.
Thema: Beschäftigung während der Behaltefrist
Frage: Kann während der Behaltefrist auch eine Teilzeitbeschäftigung vereinbart werden, wenn der Lehrling einverstanden ist?
Juristische Perspektive: Während der Behaltefrist besteht die Ausbildungsobliegenheit nicht mehr. Einer einvernehmlichen Vereinbarung einer Teilzeitbeschäftigung anstelle einer Vollzeitbeschäftigung steht daher aus juristischer Sicht nichts entgegen, sofern der Lehrling damit einverstanden ist.
Thema: Verlängerung der Probezeit
Frage: Wie ist das mit der Probezeit eines Lehrlings, wenn er innerhalb der drei Monate sehr viel im Krankenstand ist? Verlängert sich diese in diesem Fall auch durch den Krankenstand?
Juristische Perspektive: Eine Verlängerung der gesetzlichen Probezeit durch Krankenstand ist rechtlich nicht vorgesehen. Das Gesetz regelt die Gründe für eine Verlängerung taxativ (d.h. abschließend) und nennt hier nur den Fall des Berufsschulbesuchs zu Beginn des Lehrverhältnisses, nicht aber den Krankenstand.