Alle Best Practice Beispiele

Entdecke alle Best Practice Beispiele der Lehrlingsausbildung in Europa

Homeoffice und BYOD (Bring your own Device) für deine Lehrlinge?

Homeoffice und BYOD (Bring your own Device) für deine Lehrlinge?
Photo by Kit (formerly ConvertKit) / Unsplash

Einleitung: Der schmale Grat zwischen modernem Arbeiten und Ausbildungspflicht

Die Arbeitswelt verändert sich rasant, und der Wunsch nach flexiblen Arbeitsmodellen wie Homeoffice ist längst auch bei den jüngsten Talenten angekommen. Immer häufiger wirst du als Ausbilderin mit der Frage konfrontiert, ob deine Lehrlinge nicht auch von zu Hause aus arbeiten können. Es ist ein verständlicher Wunsch, der dich in einen klassischen Zielkonflikt bringt: Einerseits willst du ein modernes und attraktives Ausbildungsumfeld schaffen, um die besten Nachwuchskräfte, die "High Potentials" von morgen, für dein Unternehmen zu gewinnen und zu halten.Andererseits unterliegt ein Lehrverhältnis einem besonders strengen rechtlichen Rahmen, in dem ein zentraler Grundsatz über allem steht: Der primäre Fokus der Lehre ist und bleibt die Ausbildung. 

Dieser grundlegende Ausbildungscharakter führt zu rechtlichen Besonderheiten, die du nicht ignorieren kannst. Die Herausforderung besteht darin, die Erwartungen einer neuen Generation, für die Flexibilität oft eine Selbstverständlichkeit ist, mit den unumstößlichen gesetzlichen Vorgaben in Einklang zu bringen. Du stehst an vorderster Front dieses Kulturwandels. Dieser Leitfaden gibt dir das nötige Rüstzeug an die Hand. Wir beleuchten die rechtlichen Rahmenbedingungen für moderne Arbeitsmodelle in der Lehre – von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Homeoffice über die Tücken der Begrifflichkeiten bis hin zu den knallharten Regeln bei der Nutzung privater Geräte und der Kostenübernahme. Denn Homeoffice für Lehrlinge muss mit äußerster Vorsicht behandelt werden, und rechtssichere Vereinbarungen sind nicht verhandelbar.

 

1. Homeoffice für Lehrlinge: Grundsätzlich erlaubt oder ein No-Go?

Auf die Frage, ob Homeoffice für Lehrlinge erlaubt ist, gibt es keine einfache „Ja“- oder „Nein“-Antwort. Die juristisch korrekte, wenn auch oft unbefriedigende Antwort lautet: „Es kommt darauf an“.Der alles entscheidende Faktor ist, ob sich das Homeoffice im konkreten Einzelfall mit dem Ausbildungscharakter der Lehre vereinbaren lässt.  

Grundsätzlich ist Homeoffice für Lehrlinge im Gesetz nicht vorgesehen und sollte immer eine Ausnahme bleiben, die nur in sehr geringem Ausmaß gewährt wird.Die praktische Umsetzbarkeit hängt stark vom Lehrberuf ab. Während es für einen Lehrling in einem kaufmännischen Beruf wie dem des Industriekaufmanns denkbar ist, bestimmte Aufgaben von zu Hause zu erledigen, ist es für einen Automechaniker oder einen Betriebslogistiker, dessen Ausbildung von der praktischen Arbeit an Maschinen oder im Lager lebt, kaum umsetzbar. Die praktische Ausbildung vor Ort steht hier klar im Vordergrund.  

Deine Ausbildungspflicht als Lehrberechtigte wiegt schwer. Du musst sicherstellen, dass der Lehrling auch an Homeoffice-Tagen alle Ausbildungsinhalte gemäß der offiziellen Ausbildungsordnung vermittelt bekommt. Hier liegt eine erhebliche rechtliche Hürde und ein administrativer Mehraufwand. Es reicht nicht, dem Lehrling einfach nur Aufgaben zuzuweisen. Du musst beweisen können, dass eine vollwertige Ausbildung stattfindet.

Daher bist du gut beraten, alle Ausbildungsmaßnahmen, die im Homeoffice stattfinden, akribisch zu dokumentieren. Halte schriftlich fest, welche Ausbildungsinhalte an diesen Tagen vermittelt wurden und wie du die Betreuung und Anleitung sichergestellt hast. Diese Dokumentation ist deine rechtliche Absicherung. Sollte es jemals zu einer Auseinandersetzung kommen – sei es mit dem Lehrling selbst oder mit der Arbeiterkammer –, liegt die Beweislast bei dir. Du musst nachweisen können, dass du deiner Ausbildungspflicht vollumfänglich nachgekommen bist. Ohne lückenlose Dokumentation gehst du ein erhebliches Risiko ein.  

2. Achtung, Rechtsfalle: Der feine Unterschied zwischen Homeoffice und Mobilem Arbeiten

In der Praxis werden die Begriffe oft durcheinandergeworfen, doch juristisch gibt es gewaltige Unterschiede. Eine präzise Verwendung der Terminologie ist kein juristisches "Wortgeklaubere", sondern ein entscheidender Faktor zur Risikominimierung. Sie ist deine erste Verteidigungslinie, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden. 

Homeoffice Hierfür gibt es eine klare Definition: Homeoffice liegt nur dann vor, wenn die Arbeit regelmäßig in der privaten Wohnung des Lehrlings erbracht wird. "Regelmäßig" bedeutet dabei schon, wenn es einmal pro Woche oder sogar nur einmal im Monat stattfindet. Ein einmaliger Anlassfall ist noch kein regelmäßiges Homeoffice.Für diese Arbeitsform gibt es spezifische gesetzliche Regelungen, die dir einen klaren Rahmen vorgeben.  

Mobiles Arbeiten (Mobile Working) Dieser Begriff ist wesentlich weiter gefasst. Er bezeichnet das Arbeiten von beliebigen Orten aus, die keine feste Betriebsstätte sind – zum Beispiel im Zug, im Café oder bei einem Kunden. Der klassische Fall ist der Außendienstmitarbeiter.Für das Mobile Arbeiten gibt es, anders als beim Homeoffice, keine spezifischen gesetzlichen Regelungen. Genau dieser Mangel an einem klaren rechtlichen Rahmen macht es für Lehrlinge so problematisch. Die Aufsichts- und Fürsorgepflicht, die du gegenüber einem Lehrling hast, lässt sich an einem beliebigen, unkontrollierbaren Ort nicht gewährleisten. Daher gilt unmissverständlich: Mobiles Arbeiten kommt für Lehrlinge keinesfalls in Betracht und wird als rechtlich unzulässig qualifiziert. 

Telearbeit Dies ist lediglich der Oberbegriff, der sowohl Homeoffice als auch Mobiles Arbeiten umfasst. 

Stelle unbedingt sicher, dass in deinem Unternehmen alle Beteiligten – von der Personalabteilung über die Ausbilder bis zu den Lehrlingen selbst – das gleiche Verständnis dieser Begriffe haben. Die klare Abgrenzung ist dein Schutzschild. Indem du Remote-Arbeit für Lehrlinge ausschließlich als "Homeoffice" im eng definierten Sinn ermöglichst und vertraglich regelst, bewegst du dich innerhalb eines definierten rechtlichen Rahmens. Würdest du hingegen "Mobiles Arbeiten" gestatten, betrittst du eine rechtliche Grauzone mit unkalkulierbaren Risiken.

Zur besseren Übersicht hier die wichtigsten Unterschiede auf einen Blick:

Merkmal

Homeoffice

Mobiles Arbeiten

Ort

Regelmäßig in der Privatwohnung

Von beliebigen Orten (Café, Auto etc.)

Gesetzl. Regelung

Spezifische Regelungen vorhanden

Keine spezifischen Regelungen

Für Lehrlinge?

Nur ausnahmsweise, in geringem Ausmaß

Unzulässig

3. Ohne Schriftform geht nichts: Die zwingende Einzelvereinbarung

Ein Punkt, der in der Hektik des Alltags leicht untergeht, aber von entscheidender rechtlicher Bedeutung ist: Selbst wenn in deinem Unternehmen eine allgemeine Betriebsvereinbarung zum Thema Homeoffice existiert, ist diese allein nicht ausreichend. Für jeden einzelnen Lehrling, dem du Homeoffice gewährst, ist eine separate, schriftliche Einzelvereinbarung gesetzlich zwingend vorgeschrieben

Diese Einzelvereinbarung ist dein zentrales Steuerungsinstrument. Hier legst du die genauen Spielregeln fest, insbesondere die exakte Anzahl der erlaubten Homeoffice-Tage. Und hier lauert eine der größten Gefahren für Arbeitgeber: die sogenannte „betriebliche Übung“

Stell dir folgendes Szenario vor: In der Vereinbarung steht, der Lehrling darf einen Tag pro Woche im Homeoffice arbeiten. In der Praxis drückst du aber öfter ein Auge zu und lässt ihn zwei oder drei Tage von zu Hause arbeiten, weil es gerade gut passt. Wenn dieses Abweichen von der schriftlichen Regelung über einen längeren Zeitraum zur Gewohnheit wird, entsteht eine betriebliche Übung. Das Ergebnis: Die gelebte Praxis wird zum neuen, einklagbaren Recht des Lehrlings. Sie wird stillschweigend zum Bestandteil seines individuellen Lehrvertrags. Von dieser neuen Regelung kannst du dann nicht mehr einseitig abrücken.Deine gut gemeinte Flexibilität hat sich in eine dauerhafte, rechtliche Verpflichtung verwandelt, die du als Arbeitgeber nicht wolltest.  

Sei daher extrem konsequent in der Einhaltung der schriftlichen Vereinbarung. Wenn ein Lehrling über das vereinbarte Ausmaß hinaus Homeoffice machen möchte, musst du dem aktiv entgegenwirken. Deine täglichen Managemententscheidungen haben die Macht, rechtliche Verträge umzuschreiben. Es ist deine Aufgabe, dies zu verhindern und die Kontrolle zu behalten.

4. Private Geräte im Job: Deine Pflichten bei "Bring Your Own Device" (BYOD)

Wenn du Lehrlingen erlaubst, ihre privaten Laptops, Tablets oder Smartphones für die Arbeit zu nutzen (BYOD), begibst du dich auf rechtlich dünnes Eis. Das Grundproblem ist einfach: Du als Arbeitgeber bleibst zu 100 % für die Einhaltung aller Gesetze, insbesondere des Datenschutzes (DSGVO), verantwortlich, hast aber keinerlei physische Kontrolle über das Gerät.Du lagerst quasi einen Teil deiner IT-Sicherheitsinfrastruktur an eine junge, oft nicht für diese Risiken sensibilisierte Person aus.  

Daher ist eine klare und detaillierte BYOD-Vereinbarung keine nette Geste, sondern eine absolute Notwendigkeit, um dich und dein Unternehmen abzusichern. Diese Vereinbarung ist dein einziger Nachweis, dass du deiner gesetzlichen Pflicht zur Umsetzung von Schutzmaßnahmen nachgekommen bist. Folgende Punkte müssen zwingend geregelt werden:

  1. Zugriffsrecht auf dienstliche Daten: Du musst dir vertraglich ein Recht auf Zugang zu den dienstlichen Daten auf dem Privatgerät ausbedingen. Im Falle eines Sicherheitsproblems oder am Ende des Lehrverhältnisses musst du in der Lage sein, Firmendaten zu kontrollieren oder zu löschen. 
  2. Verpflichtung zu Sicherheitsmaßnahmen: Die Vereinbarung muss den Lehrling verpflichten, einen aktuellen Spam- und Virenschutz zu installieren und diesen regelmäßig zu aktualisieren. Auch die Pflicht, System-Updates zeitnah durchzuführen, muss festgeschrieben werden. 
  3. Regeln für den Ernstfall: Was passiert, wenn das private Gerät gestohlen wird? Denk an die konkreten Risiken: Der Laptop wird im Sommer im Freibad von der Decke entwendet, das Smartphone aus dem Spind im Fitnessstudio gestohlen.Die Vereinbarung muss klare Meldepflichten und Vorgehensweisen für solche Fälle definieren.  

Ohne eine solche schriftliche Vereinbarung bist du im Schadensfall schutzlos. Wenn es zu einer Datenpanne auf dem privaten Gerät eines Lehrlings kommt und du keine schriftlichen Regelungen nachweisen kannst, wird dir das als grobe Fahrlässigkeit ausgelegt. Die BYOD-Vereinbarung ist also nicht nur ein Regelwerk für den Lehrling, sondern in erster Linie deine rechtliche Verteidigungslinie.

5. Wer zahlt was? Ein Leitfaden zur Kosten- und Aufwandsentschädigung

Die Frage der Kostenübernahme im Homeoffice sorgt oft für Unsicherheit. Die Regeln sind jedoch relativ klar, solange du eine wichtige Hierarchie beachtest.

Zunächst die Grundsätze: Du als Arbeitgeber musst die digitalen Arbeitsmittel bereitstellen. Dazu gehören in der Regel ein Laptop, ein Diensthandy und die Kosten für eine angemessene Internetverbindung. 

Für anteilige Kosten wie Strom oder Wasser besteht hingegen keine zwingende gesetzliche Pflicht zur Übernahme. Um hier aber spätere Diskussionen zu vermeiden, solltest du in der Einzelvereinbarung explizit festhalten, dass diese Kosten nicht übernommen werden. 

Aber Achtung: Bevor du etwas in die Einzelvereinbarung schreibst, musst du immer einen Blick in den für dich anwendbaren Kollektivvertrag werfen. Dieser steht in der rechtlichen Rangordnung über der Einzelvereinbarung. Enthält der Kollektivvertrag für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen – wie es zum Beispiel im IT-Kollektivvertrag der Fall ist –, dann gelten diese. Du kannst sie nicht durch eine schlechtere Regelung in der Einzelvereinbarung aushebeln. 

Wenn der Kollektivvertrag eine Kostenübernahme vorschreibt, ist es ratsam, eine monatliche Pauschale zu vereinbaren. Das erspart dir und dem Lehrling eine mühsame "Zettelwirtschaft" mit Einzelabrechnungen. 

Darf diese Pauschale für Lehrlinge niedriger sein als für andere Mitarbeiter? Ja, das darf sie. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, Gleiches gleich zu behandeln. Die Situation eines Lehrlings ist aber objektiv eine andere als die eines normalen Angestellten. Da Homeoffice für Lehrlinge nur eine seltene Ausnahme in geringem Ausmaß sein darf, arbeiten sie faktisch weniger Tage von zu Hause. Dies stellt eine sachliche Rechtfertigung für eine niedrigere Pauschale dar. Es handelt sich nicht um eine unzulässige Schlechterstellung, sondern um die logische Konsequenz eines anders gelagerten Falles.Diese Begründung ist rechtlich wasserdicht und gibt dir die Sicherheit, diese Differenzierung selbstbewusst zu vertreten.  

Fazit: Ausbildung hat Vorrang – und "Workation" ist absolut tabu

Die Möglichkeit, Homeoffice anzubieten, mag ein nützliches Werkzeug sein, um im Wettbewerb um junge Talente zu punkten. Doch dieser Leitfaden hat gezeigt: Bei Lehrlingen muss dieses Werkzeug mit größter Sorgfalt und unter strikter Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen eingesetzt werden. Die Ausbildungspflicht steht immer und ohne Ausnahme im Vordergrund, und klare, schriftliche und rechtssichere Vereinbarungen sind nicht verhandelbar. 

Eine letzte, aber umso wichtigere Klarstellung betrifft die extremsten Formen flexiblen Arbeitens. Auf die Frage, ob ein Lehrling aus dem Urlaubsort arbeiten ("Workation") oder sein Homeoffice dauerhaft ins Ausland verlegen darf, gibt es nur eine einzige Antwort: ein klares und unmissverständliches Nein

Für einen normalen Mitarbeiter mag dies eine komplexe, aber lösbare Herausforderung sein. Für einen Lehrling ist es eine fundamentale Unmöglichkeit. Der Grund dafür sind die erheblichen und unerwünschten steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Komplikationen, die dadurch entstehen. Es droht ein rechtlicher "Rattenschwanz", der für dich als Arbeitgeber nicht zu beherrschen ist.Ein Lehrling könnte aus dem österreichischen Sozialversicherungssystem fallen und im Falle eines Unfalls nicht mehr versichert sein.  

Eine solche Regelung wäre nicht nur ein Compliance-Verstoß, sondern eine direkte Verletzung deiner erhöhten Fürsorgepflicht. Du würdest aktiv eine Situation schaffen, die deinem Schutzbefohlenen schadet. Daher ist ein solches Ansinnen für Lehrlinge keinesfalls zulässig oder auch nur anzudenken. Deine Aufgabe ist es, hier eine feste und unmissverständliche Grenze zu ziehen – nicht weil du unflexibel bist, sondern weil du deiner rechtlichen und ethischen Verantwortung zum Schutz deines Lehrlings nachkommst.