Studie: Deloitte Youth Pulse Check 2025

Studie: Deloitte Youth Pulse Check 2025

Deloitte Youth Pulse Check 2025

Quelle: https://www.deloitte.com/at/de/about/press-room/2025/deloitte-youth-pulse-check-2025.html?ref=bestpractice.talentsandcompany.at

n=200 Jugendliche (94% zwischen 14-22 Jahren) n=283 Unternehmen mit Lehrausbildung

Die wichtigsten Erkenntnisse:

aus der Befragung der Betriebe

Häufigsten Herausforderung beim Finden von jungen Talenten:

  • Fehlende Motivation der Bewerber:innen
  • Bewerber:innen erfüllen Mindestqualifikation nicht
  • Generell zu wenige Bewerbungen

Wichtigsten Kriterien für die Auswahl von Lehrlingen:

  • Interesse/Motivation
  • Persönlichkeit (Werte & Einstellung)
  • Gepflegtes Äußeres, Pünktlichkeit, Höflichkeit

aus der Befragung der Lehrlinge

  • rund 80% der Jugendlichen werden durch Eltern, Geschwister, Verwandte und Freunde bei der Wahl ihrer Ausbildung unterstützt.

Das ist den Jugendlichen bei der Wahl ihrer Lehrstelle am wichtigsten:

  • Nette Kolleg:innen
  • Genug Geld verdienen/mehr verdienen als das normale Gehalt
  • Dass die Arbeit einen Sinn hat
  • Arbeit wird auch in der Zukunft wichtig sein

Das Wünschen sich Jugendliche um Ihnen die Berufsorientierung zu erleichtern:

  • Kennenlern-Veranstaltungen im Unternehmen der Firma (Tage der offenen Tür, etc.)
  • Unternehmen kommen zur Schule und stellen sich vor
  • Bezahlte Praktikumsstellen

Die größte Überraschung: Warum du das "Motivationsproblem" völlig neu denken musst

Als Ausbilder:in kennst du das Gefühl wahrscheinlich nur zu gut: Du steckst Herzblut in deine Arbeit, bereitest alles vor und dann sitzt du Bewerber:innen gegenüber, bei denen du das Gefühl hast, der Funke will einfach nicht überspringen. Die Deloitte-Studie bestätigt dieses Gefühl auf den ersten Blick eindrücklich: 63% der Unternehmen sehen "fehlende Motivation und Arbeitsbereitschaft" als die größte Herausforderung bei der Lehrlingssuche.Gleichzeitig ist für 77% der Betriebe genau diese "Interesse/Motivation" das absolut wichtigste Kriterium bei der Auswahl. 

Hier stehen wir vor einem scheinbar unlösbaren Paradoxon: Wir suchen händeringend nach motivierten jungen Menschen, aber wir finden sie anscheinend immer seltener. Doch die größte und wichtigste Erkenntnis der Studie liegt nicht in der Bestätigung dieses Problems, sondern in seiner Auflösung. Was, wenn die Jugendlichen gar nicht unmotiviert sind? Was, wenn wir als Unternehmen und Ausbilder:innen einfach die falschen Knöpfe drücken?

Der große "Mismatch": Was Unternehmen anbieten vs. was Lehrlinge wirklich wollen

Die Daten der Studie legen eine schockierende Kommunikationslücke offen. Es ist ein fundamentaler "Mismatch" zwischen dem, was Unternehmen als attraktiv erachten und anbieten, und dem, was die Herzen und Köpfe der Generation Z tatsächlich bewegt.

Unternehmen werben vor allem mit rationalen, zukunftsorientierten Argumenten. Die Top 3 der angebotenen Benefits sind:  

  1. Eine Ausbildung in einem zukunftssicheren Job (39%)
  2. Alternative Benefits wie Öffi-Tickets oder Essensbons (36%)
  3. Geregelte Arbeitszeiten (29%)

Die Jugendlichen hingegen suchen nach etwas ganz anderem. Ihre Prioritäten sind emotional, sozial und unmittelbar im Hier und Jetzt verankert. Ihre Top 3 Wünsche an eine Lehrstelle sind:  

  1. Nette Kolleg:innen (59%)
  2. Genug Geld verdienen / mehr als das normale Gehalt (42%)
  3. Dass die Arbeit einen Sinn hat (41%)

Dieser Unterschied ist keine Kleinigkeit – er ist der Kern des vermeintlichen Motivationsproblems. Die folgende Tabelle macht diese Kluft auf einen Blick sichtbar:

Was Unternehmen als Top-Benefit anbieten

Was Lehrlinge als Top-Wunsch nennen

1. Zukunftssicherer Job (39%)

1. Nette Kolleg:innen (59%)

2. Alternative Benefits (Tickets, etc.) (36%)

2. Genug/Mehr Geld verdienen (42%)

3. Geregelte Arbeitszeiten (29%)

3. Dass meine Arbeit einen Sinn hat (41%)

Diese Tabelle sollte in jedem Ausbildungsbetrieb hängen. Sie zeigt, dass wir aneinander vorbeireden. Während wir von langfristiger Sicherheit und praktischen Zuschüssen sprechen, rufen die Jugendlichen nach einem Arbeitsumfeld, das ihre grundlegenden menschlichen Bedürfnisse erfüllt.

Es geht nicht um Motivation, es geht um psychologische Grundbedürfnisse

Das "Motivationsproblem" löst sich auf, wenn wir es durch die Brille der modernen psychologischen Forschung betrachten. Die Self-Determination Theory (SDT), eine der am besten belegten Motivationstheorien, besagt, dass Menschen dann von innen heraus (intrinsisch) motiviert sind, wenn drei psychologische Grundbedürfnisse erfüllt werden: Zugehörigkeit, Kompetenz und Autonomie

Schauen wir uns die Wünsche der Lehrlinge noch einmal genau an, erkennen wir exakt diese drei Säulen wieder:

  • Zugehörigkeit (Relatedness): Der Wunsch nach "netten Kolleg:innen" (59%) ist nichts anderes als der Schrei nach sozialer Eingebundenheit.Ein gutes Team, ein unterstützendes Umfeld und das Gefühl, als vollwertiges Mitglied akzeptiert zu werden, sind für die Gen Z keine "Soft-Faktoren", sondern die absolute Basis für Engagement und Wohlbefinden.Sie wollen nicht nur einen Arbeitsplatz, sie wollen eine "Work-Family".  
  • Autonomie & Sinn (Autonomy & Purpose): Der Wunsch nach "sinnvoller Arbeit" (41%) ist der direkte Ausdruck des Bedürfnisses nach Autonomie und Zweck.Junge Menschen wollen nicht nur Befehlsempfänger sein. Sie wollen verstehen, warum ihre Arbeit wichtig ist und welchen Beitrag sie zum großen Ganzen leisten.Es geht darum, selbstwirksam zu sein und das Gefühl zu haben, etwas zu bewirken.  
  • Kompetenz & Sicherheit (Competence & Security): Der Wunsch nach "genug Geld" (42%) ist oft missverstanden.Es geht weniger um Gier als um die Erfüllung des Grundbedürfnisses nach Sicherheit und die Anerkennung der eigenen Leistung (Kompetenz). Ein faires Gehalt ist die Basis, die signalisiert: "Deine Arbeit ist wertvoll, und wir sorgen dafür, dass du dir keine existenziellen Sorgen machen musst".Erst wenn diese Basis gesichert ist, können sich die anderen, höheren Motivationen voll entfalten.  

Die Konsequenz für dich als Ausbilder:in ist revolutionär: Deine Aufgabe ist es nicht, deine Lehrlinge zu "motivieren". Du bist kein Animateur, der für gute Laune sorgen muss. Deine wahre, viel mächtigere Aufgabe ist es, eine Lernumgebung zu gestalten, in der sich Motivation von selbst entfalten kann. Du bist ein Architekt für psychologische Sicherheit, Wachstum und Zugehörigkeit. Wenn du ein Umfeld schaffst, das diese drei Grundbedürfnisse nährt, wird die Motivation deiner Lehrlinge ganz von allein wachsen.

Dein Werkzeugkoffer: 7 konkrete Hebel für eine exzellente Lehrlingsausbildung

Die Erkenntnisse der Studie sind wertlos, wenn sie nicht im Alltag ankommen. Deshalb übersetzen wir die Theorie jetzt in einen konkreten Werkzeugkoffer für dich. Diese sieben Hebel sind direkte, praktische Antworten auf die Wünsche und Herausforderungen, die die Deloitte-Studie aufzeigt. Sie sind deine Blaupause für eine Ausbildung, die nicht nur Fachkräfte formt, sondern auch Talente begeistert und langfristig bindet.

Recruiting & Onboarding – Die ersten 100 Tage entscheiden

Der Kampf um die besten Talente wird nicht erst im Betrieb, sondern schon lange davor gewonnen. Die Art und Weise, wie du auf Jugendliche zugehst und sie in den ersten Tagen willkommen heißt, legt den Grundstein für die gesamte Lehrzeit.

Hebel 1: Mach deine Lehrlinge zu den besten Recruitern

Die Studie zeigt unmissverständlich: Die Zeit der Hochglanzbroschüren und anonymen Jobportale ist vorbei. Der wichtigste Kanal, um Lehrlinge zu finden, sind persönliche Empfehlungen. Für 61% der Unternehmen ist dies der erfolgreichste Weg.Und auf der anderen Seite vertrauen rund 80% der Jugendlichen bei ihrer Entscheidung auf ihr direktes Umfeld: Eltern, Geschwister und Freunde. 

Die logische Schlussfolgerung? Deine zufriedensten und engagiertesten Lehrlinge sind deine glaubwürdigsten und effektivsten Recruiter. Ihre authentische Begeisterung ist ansteckender als jede Marketingkampagne. Wenn sie in ihrem Freundeskreis erzählen, wie cool ihre Ausbildung ist, hat das mehr Gewicht als jede Stellenanzeige.

Praxis-Tipp: Corporate Influencer Programm für Lehrlinge Gib deinen Lehrlingen eine aktive und offizielle Rolle im Recruiting. Das stärkt nicht nur dein Employer Branding, sondern auch das Selbstbewusstsein und die Bindung deiner Lehrlinge an den Betrieb.

  • Event-Guides: Lass deine Lehrlinge am "Tag der offenen Tür" die Führungen für Schüler:innen und Eltern machen. Sie sprechen die Sprache der Zielgruppe und können authentisch von ihren Erfahrungen berichten.
  • Schul-Botschafter:innen: Schicke nicht nur die Personalabteilung, sondern auch einen Lehrling aus dem 2. oder 3. Lehrjahr mit zu Schulbesuchen. Ihre Geschichten aus dem echten Arbeitsalltag sind Gold wert.
  • Social-Media-Creators: Überlasse den TikTok- oder Instagram-Kanal für Lehrlingsmarketing (zumindest teilweise) deinen Lehrlingen. Lass sie "A Day in the Life"-Videos drehen oder Q&A-Sessions veranstalten. Das Grazer Unternehmen XAL hat mit seinem Projekt "Inspired by Light", bei dem Lehrlinge eine beeindruckende Lichtinstallation für das Marketing kreierten, den Staatspreis "Beste Lehrbetriebe" gewonnen und gezeigt, wie wirkungsvoll diese Strategie ist. 

Hebel 2: Hol die Eltern ins Boot – Deine heimlichen Verbündeten

Der Einfluss der Eltern auf die Berufswahl ist immens – die Studie belegt dies mit der 80%-Zahl eindrücklich.Sie sind die wichtigsten Berater:innen, die engsten Vertrauten und oft auch die größten Sorgen-Träger:innen.Doch viele Unternehmen machen den Fehler, ihre gesamte Kommunikation nur auf die Jugendlichen auszurichten und die Eltern zu vergessen.  

Dabei haben Eltern ganz andere Fragen und Bedürfnisse als ihre Kinder. Während der Jugendliche wissen will, "ob das Team cool ist" und "was man da so macht", fragen sich die Eltern: "Ist mein Kind dort sicher?", "Hat die Ausbildung wirklich Zukunft?" und "Wer ist der Ansprechpartner, wenn es Probleme gibt?".Wenn du diese Fragen proaktiv beantwortest, gewinnst du mächtige Verbündete.  

Praxis-Tipp: Checkliste für einen Eltern-Infoabend oder ein Willkommenspaket Organisiere einen eigenen Infoabend für die Eltern der neuen Lehrlinge oder stelle ein umfassendes Informationspaket zusammen. Das signalisiert Wertschätzung und Professionalität.

  • [ ] Persönliche Vorstellung: Stell dich nicht nur als "der Ausbilder" vor, sondern als Mensch. Wer bist du? Was ist deine Philosophie bei der Ausbildung? Gib den Eltern ein Gesicht, dem sie vertrauen können.
  • [ ] Klarheit über die Ausbildung: Erkläre den Ausbildungsplan und die Inhalte der Berufsschule. Was lernt das Kind in welchem Lehrjahr? 
  • [ ] Karriereperspektiven aufzeigen: Räume mit dem Vorurteil auf, die Lehre sei eine Sackgasse. Zeige konkret auf, welche Wege nach der Lehre offenstehen: Meisterprüfung, Lehre mit Matura, Spezialisierungen, Führungspositionen im Betrieb. 
  • [ ] Ansprechpartner benennen: Gib den Eltern eine klare Ansprechperson (mit Telefonnummer und E-Mail) für den Fall, dass es Sorgen oder Probleme gibt. Das schafft enorme Sicherheit. 
  • [ ] Regeln und Erwartungen kommunizieren: Sprich offen über die "Spielregeln" im Betrieb (Pünktlichkeit, Umgangsformen, Handy-Nutzung) und welche gegenseitigen Rechte und Pflichten bestehen. 
  • [ ] Unternehmenswerte leben: Erkläre, wofür dein Unternehmen steht. Geht es um Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung, höchste Qualität? Eltern wollen ihre Kinder in einem Umfeld wissen, dessen Werte sie teilen können.

Hebel 3: Erlebnisse schaffen, statt nur Stellen zu beschreiben

Die Studie zeigt glasklar, was sich Jugendliche zur Berufsorientierung wünschen: Sie wollen die Dinge selbst erleben. 73% wollen Kennenlern-Veranstaltungen im Betrieb, 51% wünschen sich, dass Unternehmen in die Schulen kommen, und 48% wollen bezahlte Praktika.Sie wollen hinter die Kulissen blicken, die Atmosphäre spüren und die Menschen kennenlernen. Ein authentischer "Tag der offenen Tür" ist deshalb unendlich viel wertvoller als die perfekte Stellenanzeige.Dieser Wunsch nach Erlebnissen hört aber nicht nach der Vertragsunterschrift auf. Ein gutes Onboarding ist kein administrativer Prozess, sondern ein sorgfältig inszeniertes positives Erlebnis.  

Praxis-Tipp: Der perfekte Onboarding-Plan für die erste Woche Vergiss reine "Papierkram-Tage". Gestalte die erste Woche so, dass sie auf soziale Integration und das Schaffen früher Erfolgserlebnisse abzielt. Hier ist eine anpassbare Vorlage:  

  • Tag 1: Willkommen im Team!
    • Vormittag: Persönliche Begrüßung durch dich und den zugewiesenen "Buddy" oder Mentor. Übergabe eines kleinen Willkommensgeschenks (z.B. gebrandete Tasse, Notizbuch). Gemeinsamer Rundgang durch den Betrieb, Vorstellung der wichtigsten Kolleg:innen und Orte (Kaffeeküche, Pausenraum).
    • Mittag: Gemeinsames Mittagessen mit dem gesamten direkten Team. Das ist nicht optional, sondern ein zentraler Integrationsbaustein.
    • Nachmittag: Erledigung des Nötigsten an Bürokratie. Danach: Übergabe der ersten, kleinen, aber sinnvollen Aufgabe. Etwas, das der Lehrling am Ende des Tages erfolgreich abschließen kann, um mit einem Gefühl der Kompetenz nach Hause zu gehen.
  • Tag 2-4: Eintauchen und Lernen
    • Job Shadowing: Der Lehrling begleitet den "Buddy" oder erfahrene Kolleg:innen und schaut ihnen bei der Arbeit über die Schulter.
    • Erste Lern-Sessions: Kurze, fokussierte Einweisungen in die wichtigsten Maschinen, Software oder Prozesse. Nicht alles auf einmal!
    • Kultur-Briefing: Erkläre die "ungeschriebenen Gesetze" des Betriebs. Wann macht man Pause? Wie spricht man mit Vorgesetzten? Das nimmt Unsicherheit.
  • Tag 5: Erste Reflexion & Ausblick
    • Vormittag: Der Lehrling arbeitet an einer kleinen, eigenständigen Aufgabe weiter.
    • Nachmittag: Erstes kurzes Feedbackgespräch (15 Min.). Frage: "Wie war deine erste Woche? Was war dein Highlight? Was hat dich überrascht? Wo fühlst du dich noch unsicher?" Gib positives Feedback für die erste Woche und einen Ausblick auf die nächste.

Motivation & Kultur – Das tägliche Miteinander gestalten

Exzellente Ausbildung findet nicht nur in der Werkstatt oder im Büro statt, sondern vor allem zwischen den Menschen. Die Kultur, die du täglich schaffst, ist der Nährboden, auf dem Motivation, Loyalität und Spitzenleistungen wachsen.

Hebel 4: Baue eine Kultur des Miteinanders – Die Antwort auf "nette Kolleg:innen"

Der mit Abstand wichtigste Wunsch der Jugendlichen ist mit 59% ein Team mit "netten Kolleg:innen".Das ist kein Zufall und keine naive Vorstellung. Es ist der Ausdruck des fundamentalen menschlichen Bedürfnisses nach 

Zugehörigkeit. Ein Arbeitsplatz, an dem man sich psychologisch sicher, respektiert und als Teil eines Ganzen fühlt, ist die Voraussetzung für alles andere.Als Ausbilder:in bist du der entscheidende Architekt dieser Kultur. Du setzt den Ton für den Umgang miteinander.  

Praxis-Tipp: Rituale für den Teamgeist etablieren Kultur entsteht durch wiederholte Handlungen. Etabliere kleine, aber beständige Rituale, die den Zusammenhalt fördern.

  • Das tägliche Check-in: Beginne den Tag mit einem 10-minütigen Steh-Meeting, in dem jede:r kurz sagt, was heute ansteht. Das schafft Transparenz und ein Gefühl von "Wir sitzen alle im selben Boot".
  • Lernpatenschaften (Buddy-System): Weise jedem neuen Lehrling einen erfahrenen Lehrling aus einem höheren Lehrjahr als "Buddy" oder Paten zu. Das fördert den Austausch auf Augenhöhe, nimmt den "Neuen" die Angst, "dumme Fragen" zu stellen und stärkt das Verantwortungsgefühl der "Alten". 
  • Gemeinsame Erlebnisse: Organisiere mindestens einmal im Quartal eine außerbetriebliche Aktivität, die nichts mit Arbeit zu tun hat – vom Go-Kart-Fahren über einen Grillabend bis hin zu sozialen Projekten.Diese gemeinsamen Erlebnisse schaffen die Geschichten, die ein Team zusammenschweißen.  

Hebel 5: Vom Ausbilder zum Mentor – Die neue Macht der Beziehung

Die Studie zeigt, dass sich Jugendliche eine gute Betreuung durch erfahrene Kolleg:innen und Vorgesetzte wünschen.Deine Rolle als Ausbilder:in hat sich dramatisch gewandelt. Es reicht nicht mehr, nur Fachwissen zu vermitteln. Die Generation Z erwartet einen Coach, einen Mentor, einen Förderer.Deine wichtigste Aufgabe ist es, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, Potenziale zu erkennen und junge Menschen in ihrer gesamten Persönlichkeitsentwicklung zu begleiten. Du bist nicht mehr nur der Experte, du bist der Wegbegleiter.  

Praxis-Tipp: Das 15-Minuten-Mentoring-Gespräch Plane alle zwei Wochen ein festes, aber informelles 15-Minuten-Gespräch mit jedem deiner Lehrlinge ein. In diesem Gespräch geht es explizit nicht um Leistungsbeurteilung. Es ist ein geschützter Raum für den persönlichen Austausch.

  • Stelle offene Fragen: "Was war diese Woche dein größter Erfolg, egal wie klein?", "Was war die größte Herausforderung?", "Wo genau brauchst du meine Unterstützung, um weiterzukommen?", "Was möchtest du als Nächstes lernen?".
  • Höre aktiv zu: Lass dein Handy in der Tasche. Schenke deine volle Aufmerksamkeit. Manchmal ist das Zuhören wichtiger als das Reden.
  • Fokus auf Entwicklung: Es geht darum, gemeinsam den nächsten kleinen Schritt zu definieren, nicht darum, Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten. Dieses kleine Zeitinvestment hat eine enorme Wirkung auf die Motivation und die persönliche Bindung.

Hebel 6: Etabliere eine meisterhafte Feedback-Kultur

Die Generation Z ist mit sofortigem Feedback durch Likes, Kommentare und Shares aufgewachsen. Sie wünscht sich auch im Job regelmäßiges, klares und konstruktives Feedback, um zu wachsen.Doch genau hier liegt eine große Gefahr: Schlechtes Feedback kann vernichtend sein, demotivieren und die Beziehung zum Lehrling nachhaltig schädigen. Eine exzellente Feedbackkultur ist daher ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.  

Der Schlüssel zu gutem Feedback ist die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall B. Rosenberg. Diese Methode hilft, auch schwierige Themen anzusprechen, ohne den anderen anzugreifen oder zu verurteilen. Sie schafft eine Brücke statt einer Mauer. 

Praxis-Tipp: Mini-Leitfaden für Feedback nach der GFK-Methode Statt mit einem Vorwurf ("Du kommst immer zu spät!") zu starten, strukturierst du dein Feedback nach vier einfachen Schritten. Nutze diese Vorlage für dein nächstes Gespräch:  

  1. Beobachtung (Was sehe ich?): Beschreibe wertfrei, was du konkret beobachtet hast.
    • Statt: "Du bist unzuverlässig."
    • Besser: "Mir ist aufgefallen, dass du in den letzten zwei Wochen dreimal nach 8:05 Uhr am Arbeitsplatz warst." (Das ist ein Fakt, keine Interpretation).
  2. Gefühl (Wie geht es mir damit?): Drücke aus, welches Gefühl diese Beobachtung in dir auslöst. Sprich von dir (Ich-Botschaft).
    • Statt: "Das ist respektlos."
    • Besser: "Ich mache mir Sorgen..." oder "Ich bin irritiert..."
  3. Bedürfnis (Was ist mir wichtig?): Erkläre, welches deiner Bedürfnisse hinter diesem Gefühl steckt. Das ist das "Warum".
    • Besser: "...weil mir Pünktlichkeit und Verlässlichkeit im Team sehr wichtig sind, damit wir unsere morgendliche Besprechung gemeinsam starten können."
  4. Bitte (Was wünsche ich mir?): Formuliere eine konkrete, positive und machbare Bitte. Lade zur gemeinsamen Lösung ein.
    • Statt: "Reiß dich endlich zusammen!"
    • Besser: "Wärst du bereit, mir zu erzählen, was gerade los ist, damit wir gemeinsam eine Lösung finden können, wie du es schaffst, pünktlich zu sein?"

Diese Vorgehensweise entpersonalisiert die Kritik. Es geht nicht mehr um einen Angriff auf die Person, sondern um die gemeinsame Lösung eines Problems. Das stärkt die Beziehung und fördert die Entwicklung.

Engagement & Entwicklung – Potenziale entfesseln

Wenn die kulturelle Basis stimmt, geht es darum, die Potenziale deiner Lehrlinge zur vollen Entfaltung zu bringen. Nichts ist motivierender als das Gefühl, eine echte Herausforderung zu meistern und einen sichtbaren Beitrag zu leisten.

Hebel 7: Begeistere mit Lehrlingsprojekten, die wirklich zünden

Lehrlinge wollen nicht nur zuschauen, sie wollen anpacken. Sie sehnen sich nach sinnvoller Arbeit und der Übernahme von Verantwortung.Lehrlingsprojekte sind das ideale Instrument, um genau das zu ermöglichen. Sie sind weit mehr als nur eine "nette Abwechslung". In einem guten Projekt verbinden sich Fachwissen, soziale Kompetenzen, Problemlösung, Kreativität und Eigenverantwortung zu einer kraftvollen Lernerfahrung.Der Lehrling sieht am Ende ein konkretes Ergebnis und kann sagen: "Das habe ich geschaffen."  

Praxis-Tipp: Inspirations-Galerie für Lehrlingsprojekte Lass dich von den besten Lehrbetrieben Österreichs inspirieren. Viele ihrer preisgekrönten Ideen lassen sich auch in kleinerem Rahmen umsetzen:  

  • Soziale Projekte: Organisiert ein Projekt mit sozialem Mehrwert, wie das "Kochen für Obdachlose" von Otto Stöckl Elektroinstallationen.Das stärkt den Teamgeist und vermittelt gesellschaftliche Verantwortung.  
  • Digitale Projekte: Lasst Lehrlinge eine digitale Lösung für ein echtes betriebliches Problem entwickeln. Das kann eine interne Lern-App sein (wie bei BearingPoint), eine VR-Anwendung für Schulungen (wie bei den KWP-Wohnhäusern) oder Lernvideos für neue Azubis. 
  • Interdisziplinäre Projekte: Verbindet verschiedene Lehrberufe in einem Projekt. Bei der Felbermayr Holding haben Bau- und Bürolehrlinge gemeinsam am Bau ihres eigenen Wohnheims gearbeitet.Das fördert das Verständnis für andere Abteilungen.  
  • Event-Organisation: Übertragt den Lehrlingen die volle Verantwortung für die Organisation eines Events, z.B. des "Tags der offenen Tür" (wie bei Grissemann) oder der Firmen-Weihnachtsfeier. 
  • "Firma in der Firma": Ermöglicht Lehrlingen, ein eigenes kleines Geschäftsmodell zu entwickeln und umzusetzen, wie beim Projekt "Pitch Perfect" von Welser Profile.Das fördert unternehmerisches Denken wie kaum etwas anderes.  

Blick in die Zukunft: Wie du die Lehrlingsausbildung für morgen gestaltest

Die Deloitte-Studie gibt uns nicht nur Werkzeuge für den Alltag, sondern auch einen Kompass für die strategische Ausrichtung der Lehre. Wenn du verstehst, wohin die Reise geht, kannst du heute die Weichen stellen, um auch morgen erfolgreich zu sein.

Die Kompetenzen der Zukunft: Mehr als nur Fachwissen

Ein faszinierendes Ergebnis der Studie ist die unterschiedliche Sichtweise auf die wichtigsten Zukunftskompetenzen. Unternehmen betonen vor allem soziale Kompetenzen (57%) wie Team- und Konfliktfähigkeit sowie Veränderungs- und Anpassungsbereitschaft (43%).Die Jugendlichen hingegen sehen ihre Stärken und die zukünftigen Anforderungen primär im analytischen Denken (59%) und in digitalen Fähigkeiten (48%). 

Das ist kein Widerspruch, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Die Jugendlichen sind selbstbewusst in den "harten", messbaren Skills, die sie aus der Schule kennen und die sie täglich am Smartphone anwenden. Sie fühlen sich auf diese Fähigkeiten gut vorbereitet.Unternehmen hingegen wissen aus Erfahrung, dass Fachwissen allein nicht reicht. In einer sich schnell wandelnden Arbeitswelt sind es die "weichen" Fähigkeiten – Kommunikation, Kollaboration, kritisches Denken, Kreativität –, die den Unterschied machen.  

Die Zukunft der Ausbildung liegt darin, diese beiden Welten untrennbar miteinander zu verknüpfen. Es geht nicht mehr um "entweder/oder", sondern um "sowohl/als auch". Die beste Ausbildung findet statt, wenn die Anwendung von Soft Skills zur Voraussetzung für den Erfolg bei den Hard Skills wird. Ein Lehrling, der im Team eine VR-Lern-App programmiert (wie bei den KWP-Wohnhäusern), lernt nicht nur das Coden (digital/analytisch). Er muss sich im Team abstimmen, auf Feedback reagieren, kreative Lösungen für unerwartete Probleme finden und das Projekt präsentieren (sozial/adaptiv). Gestalte deine Lernaufgaben also immer als kleine Projekte, die genau diese Integration erfordern.  

Das strategische Gebot: Warum die Lehre überlebenswichtig ist

Die Studie deutet auf einen beunruhigenden Trend hin: In Zeiten von wirtschaftlichem Druck verliert die Lehrlingsausbildung bei manchen Unternehmen an Stellenwert.Sie wird als Kostenfaktor gesehen, bei dem man kurzfristig sparen kann.  

Das ist eine strategische Falle. Der demografische Wandel ist keine ferne Bedrohung, er ist bereits Realität.Der Kampf um Fachkräfte wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Unternehmen, die heute an der Ausbildung sparen, werden morgen keine qualifizierten Mitarbeiter:innen haben. Die Studie zeigt klar, dass es für zwei Drittel der Betriebe schon jetzt herausfordernd ist, passende Lehrlinge zu finden. 

Hier kommst du ins Spiel, und zwar in einer neuen Rolle: Du bist nicht nur Ausbilder:in, sondern auch interne:r Lobbyist:in für die Zukunft deines Unternehmens. Nutze die Daten aus dieser Studie, um in deinem Betrieb zu argumentieren. Zeige der Geschäftsführung, dass Investitionen in eine exzellente Ausbildung – in gute Betreuung, in sinnvolle Projekte, in eine wertschätzende Kultur – die beste und nachhaltigste Versicherung gegen den Fachkräftemangel sind. Argumentiere dafür, den Blick zu weiten und neue Zielgruppen wie ältere Jugendliche, Quereinsteiger:innen oder überregionale Bewerber:innen aktiv anzusprechen, wie es die Studie fordert. 

Dein Vermächtnis: Du formst die Zukunft und das Image der Lehre

Eines der schmerzhaftesten Ergebnisse der Studie ist, dass fast die Hälfte der Lehrlinge (40%) unter dem schlechten Ruf der Lehre in der Gesellschaft leidet.Sie haben sich für einen anspruchsvollen, praktischen Weg entschieden und müssen sich trotzdem oft rechtfertigen.  

Die Aufwertung des Images der Lehre beginnt nicht bei teuren Werbekampagnen des Ministeriums. Sie beginnt bei dir. In deinem Betrieb. Jeden Tag.

Jede:r einzelne Lehrling, der bei dir eine herausragende, wertschätzende und sinnstiftende Ausbildung erfährt, wird zum lebenden Beweis für die Exzellenz der dualen Ausbildung. Er oder sie wird mit Stolz im Freundes- und Familienkreis davon erzählen und so das Bild der Lehre positiv verändern – eine Person nach der anderen.

Dein tägliches Engagement, deine Geduld, deine Fähigkeit zuzuhören und deine Leidenschaft für deinen Beruf sind der stärkste Hebel, den wir haben. Du sicherst nicht nur die Fachkräfte von morgen. Du gibst einer ganzen Generation von jungen Talenten das, was sie am meisten brauchen: das Gefühl, wertvoll zu sein, gebraucht zu werden und eine echte Perspektive zu haben. Du bist der Schlüssel.