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QUIZ: Finanzkompetenzen von Lehrlingen (Youth Financial Literacy Short Scale)

Der Eintritt in die Lehre ist für junge Menschen ein Meilenstein – er markiert den Beginn der finanziellen Selbstständigkeit. Zahlreiche Studien belegen erhebliche Wissensdefizite bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Finanzfragen.

QUIZ: Finanzkompetenzen von Lehrlingen (Youth Financial Literacy Short Scale)
Photo by Fabian Blank / Unsplash

Warum ist Finanzwissen für Lehrlinge so entscheidend?

Der Eintritt in die Lehre ist für junge Menschen ein Meilenstein – er markiert den Beginn der finanziellen Selbstständigkeit. Mit dem ersten eigenen Gehalt kommen jedoch nicht nur neue Freiheiten, sondern auch neue Verantwortungen und komplexe Entscheidungen: der erste Mietvertrag, Versicherungen, die Budgetplanung und der Umgang mit Konsumwünschen. Genau an dieser kritischen Schnittstelle zeigt sich eine besorgniserregende Lücke: Zahlreiche Studien belegen erhebliche Wissensdefizite bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Finanzfragen.

Die Folgen sind oft gravierend. In der Schweiz hat beispielsweise jeder dritte junge Mensch zwischen 18 und 25 Jahren Schulden. Auch in Österreich und Deutschland steigt die Zahl der jungen Menschen, die eine Schuldnerberatung aufsuchen. Dies ist besonders alarmierend, da viele Jugendliche in dieser Phase kaum zwischen guten und schlechten Schulden unterscheiden können und durch aggressive Online-Werbung und „Buy now, pay later“-Angebote einem hohen Verschuldungsrisiko ausgesetzt sind. Gleichzeitig ist der Wunsch nach Aufklärung enorm: Über 90 Prozent der Jugendlichen fordern, dass Geld- und Finanzthemen in der Ausbildung ausführlich behandelt werden. Für Ausbilder:innen ergibt sich daraus eine zentrale Aufgabe: Lehrlinge nicht nur fachlich, sondern auch in ihrer Finanzkompetenz zu stärken und sie auf ein finanziell selbstbestimmtes Leben vorzubereiten.  

Demo: Pflichten als Ausbilder

Was ist der „Youth Financial Literacy Short Scale“-Test?

Um die Finanzkompetenz von Jugendlichen greifbar zu machen, wurde die „Youth Financial Literacy Short Scale“ entwickelt. Dabei handelt es sich um einen wissenschaftlich fundierten Kurztest, der speziell für junge Erwachsene konzipiert wurde. Das Besondere an diesem Instrument ist, dass es sich direkt am umfassenden Kompetenzbegriff der OECD orientiert. Der Test misst mit nur 12 Fragen die drei entscheidenden Dimensionen der Finanzkompetenz:

  1. Finanzwissen: Das Verständnis grundlegender Konzepte wie Zinseszins, Inflation und Risikodiversifizierung.
  2. Finanzverhalten: Konkrete Gewohnheiten wie regelmäßiges Sparen, Budgetieren und das Zurücklegen von Geld für zukünftige Ziele.
  3. Finanzielle Einstellung: Die persönliche Haltung zu Geld, etwa ob man Sparen oder Ausgeben als lohnender empfindet.

Durch diese dreidimensionale Erfassung liefert der Test ein ganzheitliches Bild und ist damit ein ideales, schnell einsetzbares Werkzeug für Ausbilder:innen, um eine erste, fundierte Einschätzung der Finanzkompetenz ihrer Lehrlinge zu erhalten.

Das OECD/INFE-Kernkompetenz-Framework als Qualitätsmaßstab

Ein idealer Maßstab zur Bewertung von Finanzkompetenzen ist das „Core Competencies Framework on Financial Literacy for Youth“ der OECD/INFE. Dieses Rahmenwerk ist nicht nur eine akademische Übung, sondern ein international anerkanntes, von den G20-Staaten verabschiedetes Politik- und Analyseinstrument, das als globale Referenz für die Finanzbildung von Jugendlichen im Alter von 15 bis 18 Jahren dient. Es bietet eine strukturierte und evidenzbasierte Grundlage, um die inhaltliche Tiefe und Breite der verschiedenen Testinstrumente zu beurteilen.  

Das Framework ist in zwei wesentliche Dimensionen gegliedert, die zusammen ein umfassendes Bild von Finanzkompetenz zeichnen:

  1. Inhaltsbereiche (Content Areas): Diese vier Bereiche decken das thematische Spektrum der persönlichen Finanzen ab und orientieren sich eng am PISA-Framework. 
    • Geld und Transaktionen (Money and transactions)
    • Planung und Verwaltung (Planning and managing)
    • Risiko und Ertrag (Risk and reward)
    • Finanzlandschaft (Financial landscape)
  2. Kompetenzkomponenten (Competency Components): Diese drei Komponenten beschreiben die unterschiedlichen Facetten, aus denen sich Kompetenz zusammensetzt. Finanzkompetenz ist demnach mehr als nur Wissen. 
    • Bewusstsein, Wissen und Verständnis (Awareness, knowledge and understanding)
    • Fähigkeiten und Verhalten (Skills and behaviour)
    • Selbstvertrauen, Motivation und Einstellungen (Confidence, motivation and attitudes)

Was mache ich mit den Ergebnissen als Ausbilder:in?

Über das Testen hinaus: Die Bedeutung der Reflexion

Eine reine Kompetenzmessung am Ende einer Lerneinheit ist pädagogisch unzureichend. Der entscheidende Schritt für nachhaltiges Lernen ist die nachgelagerte Reflexion, in der die Testergebnisse interpretiert, in den Kontext der eigenen Lebenswelt gestellt und in zukünftige Handlungsoptionen übersetzt werden. Ein guter Test ist daher nicht nur ein Messinstrument, sondern ein Anstoß für einen tiefergehenden Lernprozess. Für den Einsatz als Ausbilder:in gibt es eine Vielzahl praxiserprobter Reflexionsmethoden, die sich eignen, um nach einem Finanztest das Gespräch über die Ergebnisse anzuregen:  

  • Skalierungsfragen / Standogramm: Die Teilnehmenden positionieren sich physisch im Raum entlang einer imaginären Skala (z.B. von 1 bis 10 oder zwischen zwei Polen wie „sicher“ und „unsicher“). Die Lehrkraft stellt Fragen wie: „Wie sicher fühlt ihr euch, einen Handyvertrag abzuschließen?“, „Wie gut vorbereitet fühlt ihr euch auf eure finanzielle Zukunft?“. Die Positionierung im Raum macht unterschiedliche Haltungen sichtbar und dient als Ausgangspunkt für eine Diskussion. 
  • Fünf-Finger-Methode: Diese strukturierte Methode hilft, eine Erfahrung oder einen Lernprozess aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Jeder Finger steht für eine Frage, z.B.: Daumen (Das lief gut!), Zeigefinger (Darauf habe ich besonders geachtet!), Mittelfinger (Das war eine Herausforderung!), Ringfinger (Das war besonders wertvoll!), kleiner Finger (Das ist zu kurz gekommen / Mein Tipp für mich). 
  • Fishbowl-Diskussion: Diese Methode eignet sich hervorragend, um kontroverse oder komplexe Themen in einer größeren Gruppe zu diskutieren. Eine kleine Gruppe von Schülerinnen und Schülern diskutiert im Innenkreis, während der Rest im Außenkreis zuhört. Ein freier Stuhl im Innenkreis kann von Zuhörern besetzt werden, die sich an der Diskussion beteiligen möchten. Dies ermöglicht eine fokussierte und dennoch partizipative Debatte.