Gespräche mit Eltern: Die 40 ungewöhnlichsten Fragen

Gespräche mit Eltern: Die 40 ungewöhnlichsten Fragen
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Willkommen im Grenzbereich – Wenn Elterngespräche bizarr werden

Jede:r erfahrene Ausbilder:in hat sie: die eine Geschichte von einer Elternfrage, die so absurd, so bizarr oder so übergriffig war, dass man im ersten Moment nicht wusste, ob man lachen oder den Kopf schütteln soll. Diese Gespräche testen deine Geduld, deine Professionalität und manchmal auch deinen Glauben an die Vernunft.

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Spoiler: Teils sind hier sehr unrealistische Fragen beschrieben, diese können zur Schulung und Vorbereitung auf "unerwartete Situationen" für Ausbilder:innen dienen

Doch auch hinter der seltsamsten Frage steckt fast immer eine – wenn auch manchmal gut versteckte – Sorge oder ein Bedürfnis. Niemand fragt nach Geistern in der Werkstatt, weil er an Gespenster glaubt, sondern weil sein Kind Angst hat. Niemand will den Ausbildungsplan an Mondphasen anpassen, weil er esoterisch ist, sondern weil er sich verzweifelt wünscht, dass für sein Kind alles "perfekt" läuft. 

Deine Aufgabe ist es nicht, die bizarre Frage wörtlich zu nehmen und zu beantworten. Deine Kunst besteht darin, mit professioneller Gelassenheit, Empathie und klaren Grenzen zu reagieren. Die Strategie lautet: die Sorge hinter der Frage anerkennen, den professionellen Rahmen erklären und eine konstruktive, aber realistische Lösung anbieten. Dieser Leitfaden gibt dir das Rüstzeug für den professionellen Umgang mit dem Unerwarteten.

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Teil 1: Die Grenzüberschreitung – Fragen, die zu weit gehen

Diese Fragen verlassen den professionellen Rahmen und dringen in deine Privatsphäre, die anderer Mitarbeiter:innen oder in den Bereich unzulässiger Forderungen ein. Hier ist eine freundliche, aber unmissverständliche Grenze gefragt.

  1. Sind Sie verheiratet / haben Sie selbst Kinder? Eine klassische Frage, um eine persönliche Ebene herzustellen. Du musst sie nicht beantworten. Eine höfliche Antwort: "Ich bitte um Verständnis, dass ich mein Privatleben hier nicht thematisieren möchte. Lassen Sie uns den Fokus auf Ihr Kind legen." 
  2. Was verdienen Sie eigentlich als Ausbilder:in? Eine klare Grenzüberschreitung. Antwort: "Mein Gehalt ist eine vertrauliche Angelegenheit zwischen mir und meinem Arbeitgeber."
  3. Können Sie ein gutes Wort für meinen Neffen einlegen, der sich auch bewerben will? Hier wird versucht, den fairen Bewerbungsprozess zu umgehen. Antwort: "Wir freuen uns über jede Bewerbung. Um fair zu bleiben, durchlaufen alle Kandidat:innen bei uns denselben, standardisierten Prozess."
  4. Der Lehrling X scheint Probleme zu haben, was ist denn bei dem los? Klatsch und vertrauliche Informationen über Dritte sind tabu. Antwort: "Ich kann und darf aus Datenschutzgründen keine Auskunft über andere Lehrlinge geben."
  5. Können Sie mein Kind nach der Arbeit nach Hause fahren, Sie wohnen ja in der gleichen Richtung? Eine private Gefälligkeit, die schnell zur Regel werden kann. Antwort: "Das ist leider nicht möglich. Die Organisation des Arbeitsweges liegt in der Verantwortung jedes Mitarbeiters."
  6. Wir fahren in den Urlaub, können Sie in der Zeit die Fische meines Kindes füttern? Eine bizarre Vermischung von beruflicher und privater Rolle. Antwort: "Das kann ich leider nicht übernehmen. Das gehört nicht zu meinen Aufgaben als Ausbilder."
  7. Würden Sie mit meinem Kind zu einem traurigen Film ins Kino gehen? Es braucht gerade jemanden zum Reden. Die Sorge ist verständlich, die Aufgabe aber nicht deine. Antwort: "Ich sehe, dass Sie sich Sorgen machen. Als Ausbilder kann ich das nicht leisten, aber es gibt professionelle Beratungsstellen wie das Lehrlingscoaching, die hier eine tolle Unterstützung bieten können." 
  8. Können Sie mir Ihre private Handynummer geben, für Notfälle? Setze eine klare Grenze. Antwort: "Für dringende Fälle bin ich während der Arbeitszeit über meine dienstlichen Kontaktdaten erreichbar. Das ist der offizielle Weg."
  9. Warum haben Sie meinem Kind eine schlechtere Bewertung gegeben als dem Lehrling Y? Ich finde das unfair. Vergleiche sind heikel. Führe das Gespräch zurück auf die individuelle Leistung. Antwort: "Leistungsbewertungen sind immer individuell. Lassen Sie uns über die konkreten Leistungen und Entwicklungspotenziale Ihres Kindes sprechen."
  10. Ich habe gehört, Sie waren letztes Wochenende auf einer Party. War mein Kind auch dort? Ein Versuch, dich als Überwachungskamera zu benutzen. Antwort: "Mein Privatleben und das der Lehrlinge sind getrennte Bereiche. Darüber kann ich keine Auskunft geben."
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Teil 2: Das "Prinzessin-auf-der-Erbse"-Syndrom – Forderungen nach Sonderbehandlung

Diese Eltern sind überzeugt, dass ihr Kind eine ganz besondere Behandlung benötigt, die über die normalen Regeln und betrieblichen Möglichkeiten hinausgeht. Hier gilt es, Fairness und Gleichbehandlung zu betonen.

  1. Mein Kind ist hochsensibel, kann es in einem Einzelbüro arbeiten, um Lärm zu vermeiden? Antwort: "Ich verstehe die Sorge. Ein Einzelbüro ist betrieblich leider nicht möglich. Aber wir können schauen, ob wir einen ruhigeren Arbeitsplatz im Großraumbüro finden oder ob Kopfhörer bei konzentrierten Aufgaben helfen."
  2. Die Berufsschule ist so früh am Morgen. Kann mein Kind eine Stunde später anfangen? Antwort: "Der Besuch der Berufsschule ist verpflichtend und die Anfangszeiten sind für alle gleich. Daran können wir leider nichts ändern."
  3. Mein Kind ernährt sich vegan/glutenfrei/paläo. Können Sie sicherstellen, dass bei Betriebsfeiern immer etwas Passendes für es da ist? Antwort: "Wir bemühen uns, bei Feiern ein vielfältiges Angebot zu haben. Um sicherzugehen, ist es am besten, wenn Ihr Kind uns vorab kurz informiert, dann können wir das bei der Planung berücksichtigen."
  4. Der Arbeitsweg ist so lang. Kann mein Kind freitags immer im Home-Office arbeiten? Antwort: "Die Ausbildung findet grundsätzlich im Betrieb statt, da hier die praktische Anleitung erfolgt. Home-Office ist für unsere Lehrlinge daher leider nicht vorgesehen." 
  5. Mein Kind hat Prüfungsangst. Kann es die Lehrabschlussprüfung mündlich statt schriftlich machen? Antwort: "Die Prüfungsordnung der Lehrabschlussprüfung ist für alle gleich und wird von der Wirtschaftskammer festgelegt. Darauf haben wir als Betrieb keinen Einfluss. Wir können aber bei der Vorbereitung unterstützen, um die Angst zu reduzieren."
  6. Wir haben einen Hund. Darf der mit ins Büro kommen, damit er nicht allein ist? Antwort: "Ich verstehe, dass der Hund ein Familienmitglied ist. Aus hygienischen Gründen und aus Rücksicht auf Kolleg:innen mit Allergien sind Haustiere im Betrieb aber leider nicht erlaubt." 
  7. Mein Kind ist Astrologie-begeistert. Können wir den Ausbildungsplan an günstige Mondphasen anpassen? Antwort: "Der Ausbildungsplan richtet sich nach den betrieblichen Abläufen und dem Berufsbild. Astrologische Kalender können wir dabei leider nicht berücksichtigen."
  8. Mein Kind hasst telefonieren. Kann es alle Aufgaben per E-Mail erledigen? Antwort: "Telefonische Kommunikation mit Kunden und Kollegen ist ein wichtiger Teil dieses Berufs. Wir werden das schrittweise und behutsam üben, denn es ist eine wichtige Qualifikation, die Ihr Kind hier lernen soll."
  9. Die Uniform/Arbeitskleidung kratzt. Darf mein Kind seine eigene Kleidung tragen? Antwort: "Die Arbeitskleidung ist aus Sicherheits- und/oder Corporate-Identity-Gründen für alle Mitarbeiter:innen verpflichtend. Lassen Sie uns schauen, ob es eventuell ein anderes Material oder eine andere Größe gibt, die angenehmer ist." 
  10. Mein Kind wurde von den Kollegen nicht zur privaten Geburtstagsparty eingeladen. Können Sie da mal ein Machtwort sprechen? Antwort: "Ich verstehe, dass das für Ihr Kind verletzend ist. Private Verabredungen liegen aber außerhalb meines Einflussbereichs als Ausbilder."
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Teil 3: Die Welt der alternativen Fakten – Bizarre Ängste und Theorien

Hier betrittst du das Reich der Mythen, Fehlinformationen und klassischen Lehrlingsstreiche. Deine Aufgabe ist es, mit Geduld und Fakten für Aufklärung zu sorgen.

  1. Ist die Werkstatt gegen Erdstrahlen abgeschirmt? Antwort: "Unser Betrieb entspricht allen gesetzlichen Bau- und Sicherheitsvorschriften. Spezielle Abschirmungen gegen Erdstrahlen gehören nicht dazu."
  2. Verwenden Sie Aluminium-Magnete, um Späne aufzusammeln? Ein Lehrlingsstreich. Antworte mit einem Schmunzeln: "Eine gute Frage, die zeigt, dass Ihr Kind sich mit den Materialien beschäftigt. Da Aluminium nicht magnetisch ist, verwenden wir dafür andere Methoden." 
  3. Ich habe gelesen, dass dieser Beruf gar keine Zukunft hat. Stimmt das? Kontere mit Fakten: "Ganz im Gegenteil. Der Fachkräftemangel in diesem Bereich ist enorm, und die Zukunftsaussichten für gut ausgebildete Spezialist:innen sind hervorragend." 
  4. Muss mein Kind wirklich lernen, wie man eine Bilanzschnur holt? Der absolute Klassiker. "Das ist ein alter Scherz in der Branche, um neue Lehrlinge willkommen zu heißen. Es zeigt, dass Ihr Kind schon gut im Team angekommen ist. Eine Bilanzschnur gibt es natürlich nicht." 
  5. Die Computer im Büro haben 5G. Ist das nicht gefährlich für die Gesundheit meines Kindes? Verweise auf offizielle Standards: "Unsere technische Ausstattung entspricht allen in Österreich geltenden Gesundheits- und Sicherheitsstandards, die von Experten festgelegt werden."
  6. Mein Kind sagt, es musste Krabbenlebern sortieren. Ist das Tierquälerei? Ein weiterer Streich. "Ich kann Sie beruhigen, Krabben haben keine Lebern. Das klingt sehr nach einem Spaß unter Kollegen." 
  7. Warum wird mein Kind gezwungen, Geschäftsgeheimnisse zu wahren? Das ist doch undemokratisch. Erkläre den professionellen Kontext: "Die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist eine gesetzliche Pflicht jedes Arbeitnehmers und die Grundlage für das Vertrauen unserer Kunden und den Erfolg des Unternehmens." 
  8. Ich habe gehört, der Chef ist Mitglied einer Sekte. Wird mein Kind auch rekrutiert? Bleibe sachlich und professionell: "Die private Lebensführung oder Weltanschauung unserer Mitarbeiter:innen ist deren persönliche Angelegenheit und hat keinen Einfluss auf den Betriebsalltag oder die Ausbildung." 
  9. Darf mein Kind aus Sicherheitsgründen barfuß im Lager arbeiten? Hier ist eine klare Ansage nötig: "Nein, im Gegenteil. Aus Sicherheitsgründen ist das Tragen von festem, geschlossenem Schuhwerk, in vielen Bereichen sogar von Sicherheitsschuhen, absolut verpflichtend."
  10. Sie bilden hier doch nur aus, um die Statistik zu schönen und Förderungen zu kassieren, oder? Ein Vorwurf, der Vertrauen untergräbt. Kontere mit eurer Philosophie: "Wir bilden aus, weil wir in die Zukunft unseres Unternehmens investieren und junge Menschen zu qualifizierten Fachkräften entwickeln wollen. Förderungen sind eine willkommene Unterstützung, aber niemals der Hauptgrund." 
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Teil 4: Einfach nur... seltsam – Die unklassifizierbaren Perlen

Manche Fragen entziehen sich jeder Logik. Hier geht es nur noch darum, die Fassung zu bewahren und professionell zu bleiben.

  1. Gibt es hier im Gebäude einen Geist? Mein Kind hat nachts Angst. Antwort: "Ich kann Ihnen versichern, dass unser Gebäude ein ganz normaler Arbeitsplatz ist. Wenn Ihr Kind Ängste hat, sollten wir vielleicht gemeinsam überlegen, woher diese kommen könnten."
  2. Mein Kind möchte seinen imaginären Freund zum Kennenlerntag mitbringen. Ist das in Ordnung? Antwort: "Der Kennenlerntag ist für unsere neuen Lehrlinge gedacht, damit sie sich untereinander und uns kennenlernen können. Es ist am besten, wenn Ihr Kind allein kommt." 
  3. Können Sie bitte darauf achten, dass mein Kind nicht zu viel Kaffee trinkt? Antwort: "Wir behandeln unsere Lehrlinge als junge Erwachsene. Die Entscheidung, wie viel Kaffee sie trinken, liegt in ihrer eigenen Verantwortung."
  4. Würden Sie eher mit dem CEO und mir gleichzeitig telefonieren oder mit meinem Kind Karaoke singen gehen? Eine absurde "Entweder-Oder"-Frage. Antworte humorvoll, aber unverbindlich: "Eine interessante Frage. Zum Glück stellt sich diese Wahl in der Praxis nicht." 
  5. Wenn mein Kind eine Kartoffel wäre, wie würden Sie es am liebsten zubereiten? Eine bizarre Metapher. Bleibe auf der professionellen Ebene: "Ich denke, wir sollten bei den realen Aufgaben und Herausforderungen der Ausbildung bleiben." 
  6. Mein Kind hat im Traum eine wichtige Geschäftsidee gehabt. An wen kann es sich wenden? Nimm die Kreativität ernst, aber kanalisiere sie. "Das ist ja spannend! Am besten schreibt Ihr Kind die Idee auf und stellt sie mir oder im nächsten Teammeeting vor. Wir freuen uns immer über neue Impulse."
  7. Dürfen die Lehrlinge während der Arbeit Podcasts über True Crime hören? Antwort: "Bei konzentrierten Einzelarbeiten können Kopfhörer erlaubt sein, solange die Arbeit nicht leidet und die Kommunikation im Team nicht gestört wird. Das klären wir individuell."
  8. Was war der schlechteste Ratschlag, den Sie je bekommen haben? Eine sehr persönliche Frage. Weiche höflich aus: "Eine spannende Frage für eine private Runde. Im Rahmen des Elterngesprächs möchte ich mich aber auf die Ausbildung konzentrieren." 
  9. Mein Kind hat sich den Namen des Unternehmens tätowieren lassen. Gibt es dafür einen Bonus? Antwort: "Das ist ein außergewöhnlicher Beweis der Verbundenheit. Einen finanziellen Bonus gibt es dafür aber nicht." 
  10. Wir haben zu Hause eine Tradition, mittwochs nur rückwärts zu sprechen. Kann das im Betrieb berücksichtigt werden? Antwort: "Das ist eine sehr interessante Familientradition. Im Betrieb ist eine klare und unmissverständliche Kommunikation für die Zusammenarbeit und Sicherheit aber unerlässlich, daher ist das leider nicht möglich."

Die 3-P-Regel für den professionellen Umgang mit dem Unerwarteten

Wenn du mit einer bizarren Frage konfrontiert wirst, die dich sprachlos macht, erinnere dich an diese einfache Regel. Sie hilft dir, souverän zu bleiben und das Gespräch wieder in professionelle Bahnen zu lenken.

  1. Pause: Atme tief durch. Schweige für einen Moment. Gib dir selbst Zeit, die Frage zu verarbeiten und eine überlegte Antwort zu formulieren, anstatt impulsiv zu reagieren.
  2. Probe (Sondieren): Versuche, die Sorge hinter der Frage zu verstehen. Eine einfache Nachfrage kann Wunder wirken: "Helfen Sie mir zu verstehen, warum das für Sie wichtig ist?" oder "Was ist der Hintergrund Ihrer Frage?".Das zeigt Respekt und holt das Gespräch oft von der absurden auf die eigentliche, menschliche Ebene zurück.  
  3. Position (Positionieren): Gib eine freundliche, aber klare und bestimmte Antwort. Beziehe dich auf betriebliche Regeln, den Ausbildungsplan, Sicherheitsvorschriften oder den professionellen Rahmen deiner Rolle als Ausbilder:in. Validiere die Sorge, aber setze eine klare Grenze. Beispiel: "Ich verstehe Ihre Sorge um. Im Rahmen unserer betrieblichen Möglichkeiten/meiner Rolle als Ausbilder ist [geforderte Handlung] leider nicht umsetzbar. Was wir aber tun können, ist [konstruktiver, realistischer Vorschlag]."

Mit dieser Haltung verwandelst du selbst die seltsamsten Anfragen in eine Demonstration deiner professionellen Kompetenz und sozialen Intelligenz.