Gespräche mit Eltern: Die 40 häufigsten Fragen

Mehr als nur Fragen – Eine Chance für eine starke Partnerschaft
Das Telefon klingelt, am anderen Ende eine besorgte Mutter. Oder du sitzt beim Unterzeichnen des Lehrvertrags einem Vater gegenüber, der einen ganzen Fragenkatalog dabeihat. Kommt dir bekannt vor? Elterngespräche sind ein fester Bestandteil deiner Arbeit als Ausbilder:in. Sie sind aber weit mehr als eine lästige Pflicht – sie sind eine strategische Chance.
Eltern sind die wichtigsten Berater und "Influencer" im Leben ihrer Kinder.Ein gut geführtes Gespräch, bei dem du kompetent und souverän auf die häufigsten Fragen antwortest, legt den Grundstein für eine tragfähige Vertrauensbasis. Diese Partnerschaft mit den Eltern wird zu deinem stärksten Verbündeten, wenn es darum geht, den Lehrling zu motivieren, durch schwierige Phasen zu begleiten und die Ausbildung zu einem gemeinsamen Erfolg zu machen.
Dabei ist es entscheidend, den rechtlichen Rahmen zu kennen: Bei minderjährigen Lehrlingen bist du gesetzlich verpflichtet, die Erziehungsberechtigten über wichtige Vorkommnisse wie Leistungsprobleme oder Fehlverhalten zu informieren.Bei volljährigen Lehrlingen hingegen darfst du das nur mit deren ausdrücklicher Zustimmung tun.
Die folgenden 40 Fragen sind die Klassiker. Sie decken die zentralen Sorgen und Informationsbedürfnisse von Eltern ab. Wenn du hier sattelfest bist, signalisierst du nicht nur Wissen, sondern vor allem eines: Professionalität, Verlässlichkeit und dass das Kind bei dir in guten Händen ist. Denn hinter jeder Frage nach Arbeitszeiten oder Urlaubstagen steht die eine, große Frage: "Ist mein Kind hier sicher und gut aufgehoben?".
Teil 1: Das Fundament – Vertrag, Rechtliches und Rahmenbedingungen
Diese Fragen bilden das Gerüst des Lehrverhältnisses. Sie werden oft zu Beginn oder bei der Vertragsunterzeichnung gestellt und zielen auf Sicherheit und Klarheit ab. Deine präzisen Antworten schaffen das Fundament für Vertrauen.
- Wie genau läuft die Probezeit ab und was passiert, wenn es nicht passt? Die ersten drei Monate gelten gesetzlich als Probezeit. In dieser Phase können beide Seiten – der Lehrling und der Betrieb – das Lehrverhältnis jederzeit schriftlich und ohne Angabe von Gründen auflösen. Das gibt beiden die Chance zu prüfen, ob die Berufswahl und die Zusammenarbeit wirklich passen.
- Wie sind die genauen Arbeitszeiten für mein Kind geregelt? Für jugendliche Lehrlinge unter 18 Jahren gilt das Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz (KJBG). Die tägliche Arbeitszeit beträgt 8 Stunden, die wöchentliche 40 Stunden. Ausnahmen, wie eine Ausdehnung auf 9 Stunden für ein langes Wochenende, sind unter bestimmten Bedingungen möglich.
- Sind Überstunden erlaubt und wie werden sie abgegolten? Für Lehrlinge unter 16 Jahren sind Überstunden verboten. Zwischen 16 und 18 Jahren sind sie nur in sehr begrenztem Ausmaß für Vor- und Abschlussarbeiten erlaubt (maximal eine halbe Stunde pro Tag) und müssen entsprechend abgegolten oder mit Zeitausgleich vergütet werden.
- Wie viele Urlaubstage stehen dem Lehrling zu und wann kann der Urlaub genommen werden? Lehrlinge haben wie alle Arbeitnehmer:innen Anspruch auf 5 Wochen (30 Werktage bzw. 25 Arbeitstage) Urlaub pro Jahr. Jugendliche haben zudem das Recht, mindestens zwei Wochen ihres Urlaubs zwischen dem 15. Juni und 15. September zu konsumieren.Die genaue Planung erfolgt in Absprache mit dem Betrieb.
- Was passiert, wenn mein Kind krank wird? Im Krankheitsfall muss der Lehrling den Betrieb unverzüglich informieren. Die Entgeltfortzahlung ist gesetzlich geregelt. Der Lehrling hat die Pflicht, eine ärztliche Bestätigung vorzulegen, wenn der Betrieb dies verlangt.
- Wer ist der/die direkte Ansprechpartner:in oder Ausbilder:in für mein Kind im Betrieb? Benenne klar die Person, die für die fachliche Anleitung und als erste Anlaufstelle dient. Das schafft eine klare Struktur und gibt Sicherheit.
- Welche Pflichten hat mein Kind dem Betrieb gegenüber? Die wichtigsten Pflichten sind das Bemühen, den Beruf zu erlernen, die pünktliche und sorgfältige Ausführung der Aufgaben, die Einhaltung der Betriebsordnung, die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und die sofortige Krankmeldung bei Verhinderung.
- Welche Pflichten hat der Betrieb gegenüber meinem Kind? Die Kernpflicht ist die ordnungsgemäße Ausbildung gemäß Berufsbild. Dazu gehören der Schutz vor Misshandlung, die Rücksichtnahme auf die Kräfte des Lehrlings und die Freistellung für die Berufsschule.
- Gibt es eine bestimmte Kleiderordnung? Informiere über eventuell vorgeschriebene Arbeits- oder Schutzkleidung oder einen allgemeinen Dresscode im Unternehmen. Das vermeidet Unsicherheiten am ersten Tag.
- Wie ist mein Kind versichert? Mit der Anmeldung des Lehrvertrags erfolgt auch die Anmeldung bei der zuständigen Gebietskrankenkasse. Damit ist der Lehrling kranken-, unfall- und pensionsversichert.
Teil 2: Der Arbeitsalltag – Aufgaben, Ausbildungsinhalte und Team
Hier wollen Eltern die tägliche Realität ihres Kindes verstehen. Was wird es lernen, wer sind die Kolleg:innen und wie wird es im Betrieb aufgenommen?
- Was sind die typischen Aufgaben meines Kindes im ersten Lehrjahr? Gib einen konkreten Einblick in die Tätigkeiten, die auf den Lehrling zukommen. Das sollte sich am Ausbildungsplan orientieren und von einfachen, unterstützenden Aufgaben hin zu komplexeren Tätigkeiten entwickeln.
- Wie sieht der betriebliche Ausbildungsplan aus? Erkläre, wie die Ausbildung im Betrieb strukturiert ist. Ein transparenter Plan, der zeigt, wann welche Inhalte vermittelt werden, zeugt von Professionalität.
- Wird mein Kind auch zu ausbildungsfremden Tätigkeiten (z.B. Putzen, private Botengänge) herangezogen? Stelle klar, dass der Lehrling nur zu Tätigkeiten herangezogen wird, die dem Berufsbild und Ausbildungszweck dienen. Private Besorgungen für den Chef oder stundenlanges Putzen gehören nicht dazu.
- Wie wird sichergestellt, dass alle Ausbildungsinhalte laut Berufsbild vermittelt werden? Verweise auf den Ausbildungsplan und die enge Zusammenarbeit zwischen Ausbilder:in und Lehrling. Eventuell gibt es auch einen Ausbildungsverbund, falls nicht alle Inhalte im eigenen Betrieb abgedeckt werden können.
- Wie wird mein Kind ins Team integriert? Beschreibe den Onboarding-Prozess. Gibt es eine Willkommensmappe, eine Vorstellungsrunde, einen Paten oder ein gemeinsames Mittagessen am ersten Tag? Ein guter Start ist entscheidend für die Motivation.
- An wen kann sich mein Kind bei Problemen oder Fragen im Arbeitsalltag wenden? Neben der direkten Ausbilder:in sollte es klare Anlaufstellen geben, z.B. einen Lehrlingsbeauftragten, den Betriebsrat oder eine Vertrauensperson.
- Wie wird die Leistung meines Kindes bewertet und wie oft gibt es Feedback? Regelmäßige Feedbackgespräche sind essenziell. Erkläre, wie und wie oft ihr über den Lernfortschritt, Stärken und Verbesserungspotenziale sprecht.
- Welche Unterstützung gibt es, wenn mein Kind Schwierigkeiten mit den Aufgaben hat? Zeige auf, dass ihr den Lehrling nicht allein lasst. Das kann durch intensivere Betreuung, zusätzliche Erklärungen oder bei Bedarf auch durch externe Hilfen wie das Lehrlingscoaching des AMS geschehen.
- Wie wird auf die Sicherheit am Arbeitsplatz geachtet? Verweise auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften, die Bereitstellung von Schutzausrüstung und regelmäßige Unterweisungen.
- Gibt es die Möglichkeit, in andere Abteilungen hineinzuschnuppern? Wenn ja, ist das ein großer Pluspunkt. Es zeigt, dass der Betrieb eine ganzheitliche Ausbildung fördert und dem Lehrling einen breiten Einblick ermöglicht.
Teil 3: Die zweite Säule – Berufsschule und Lernen
Die Berufsschule ist der zweite Lernort im dualen System. Eltern, die das Schulsystem gut kennen, haben hier oft sehr konkrete Fragen.
- In welche Berufsschule wird mein Kind gehen und wie ist der Unterricht organisiert (Block, wöchentlich)? Gib klare Auskunft über die zuständige Schule und die Unterrichtsform (z.B. ein Tag pro Woche oder geblockt für mehrere Wochen am Stück).
- Gilt die Zeit in der Berufsschule als Arbeitszeit? Ja, die Unterrichtszeit, inklusive Pausen, ist auf die wöchentliche Arbeitszeit anzurechnen und wird voll bezahlt.
- Wer meldet mein Kind in der Berufsschule an? Die Anmeldung des Lehrlings in der Berufsschule ist Aufgabe des Betriebs und erfolgt in der Regel durch die Lehrlingsstelle nach Anmeldung des Lehrvertrags.
- Wie halten Sie als Betrieb Kontakt zur Berufsschule? Ein regelmäßiger Austausch mit den Lehrkräften ist ein Qualitätsmerkmal. Er zeigt, dass ihr die Ausbildung als gemeinsamen Prozess versteht.
- Was passiert, wenn mein Kind in der Berufsschule schlechte Noten hat? Hier ist eine partnerschaftliche Haltung gefragt. Erkläre, dass ihr das Gespräch mit dem Lehrling und den Eltern sucht, um die Ursachen zu klären und gemeinsam nach Lösungen (z.B. Lernhilfen) zu suchen.
- Werden die Kosten für das Internat oder die Fahrt zur Berufsschule übernommen? Bei Blockunterricht ist der Betrieb gesetzlich verpflichtet, die Kosten für das Internat zu tragen.Regelungen zu Fahrtkosten können im Kollektivvertrag oder in Betriebsvereinbarungen festgelegt sein.
- Erhalten Sie als Ausbilder:in die Zeugnisse meines Kindes? Ja, der Lehrling ist verpflichtet, dem Lehrberechtigten die Schulzeugnisse vorzulegen. Das ist wichtig, um den Lernfortschritt im Blick zu behalten.
- Gibt es im Betrieb Unterstützung bei den Hausaufgaben oder bei der Vorbereitung auf Prüfungen? Auch wenn es keine Pflicht ist, zeigt eine solche Unterstützung (z.B. durch Freistellung von Zeit zum Lernen vor Prüfungen), dass der Betrieb den Ausbildungserfolg ernst nimmt.
Teil 4: Das liebe Geld – Lehrlingseinkommen und Finanzen
Finanzielle Fragen sind für die Familienplanung und die wachsende Selbstständigkeit des Jugendlichen von großer Bedeutung. Hier sind klare und transparente Antworten gefragt.
- Wie hoch ist das Lehrlingseinkommen in den einzelnen Lehrjahren? Die Höhe des Lehrlingseinkommens (früher Lehrlingsentschädigung) ist im jeweiligen Kollektivvertrag festgelegt und steigt mit jedem Lehrjahr an. Sei hier präzise.
- Wann wird das Gehalt ausgezahlt? Nenne den üblichen Auszahlungstermin im Betrieb (z.B. am Monatsletzten).
- Gibt es Urlaubs- und Weihnachtsgeld (Sonderzahlungen)? Ja, Lehrlinge haben wie andere Arbeitnehmer:innen Anspruch auf die im Kollektivvertrag vorgesehenen Sonderzahlungen, also ein 13. und 14. Gehalt.
- Wer bezahlt die Kosten für die Lehrabschlussprüfung? Die Prüfungstaxe für den erstmaligen Antritt zur Lehrabschlussprüfung (LAP) muss vom Lehrbetrieb übernommen werden.
- Fallen Kosten für Arbeitskleidung oder Werkzeug an? Wenn spezielle Arbeitskleidung oder persönliches Werkzeug erforderlich ist, kläre, ob dies vom Betrieb gestellt wird oder ob der Lehrling dafür Kosten tragen muss.
- Gibt es im Betrieb sonstige finanzielle Vorteile oder Zuschüsse (z.B. für Mittagessen, Fahrtkosten)? Zusatzleistungen wie eine Kantine, Essenszuschüsse oder ein Klimaticket sind attraktive Benefits, die du unbedingt erwähnen solltest.
Teil 5: Und danach? – Übernahme, Karriere und Zukunft
Diese Fragen zeigen, dass die Eltern langfristig denken. Sie wollen wissen, ob die Lehre eine sichere Investition in die Zukunft ihres Kindes ist.
- Wie stehen die Chancen, nach der Lehre im Betrieb übernommen zu werden? Sei hier so ehrlich wie möglich. Eine hohe Übernahmequote ist ein starkes Argument für deinen Betrieb. Erkläre auch die gesetzliche "Behaltepflicht" von drei Monaten nach der Lehre, die in vielen Kollektivverträgen verankert ist.
- Welche Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten gibt es nach der Lehre in Ihrem Unternehmen? Zeige die Karrierepfade auf: Spezialisierung, Meisterprüfung, Aufstieg zur Führungskraft. Das macht die Lehre als Karrieresprungbrett sichtbar.
- Unterstützt der Betrieb "Lehre mit Matura"? Wenn ja, ist das ein entscheidender Vorteil für leistungsorientierte Jugendliche. Erkläre, wie ihr das organisatorisch (z.B. durch flexible Arbeitszeiten) unterstützt.
- Was verdient eine ausgelernte Fachkraft in dieser Position bei Ihnen? Eine transparente Angabe zum Einstiegsgehalt nach der Lehre hilft Eltern und Lehrlingen, die finanziellen Perspektiven realistisch einzuschätzen.
- Gibt es Beispiele von ehemaligen Lehrlingen, die bei Ihnen Karriere gemacht haben? Erfolgsgeschichten sind extrem wirkungsvoll. Sie machen die versprochenen Karrierewege greifbar und glaubwürdig.
- Wie kann ich als Elternteil mein Kind am besten unterstützen, damit die Lehre ein Erfolg wird? Diese Frage ist Gold wert. Sie öffnet die Tür zur Partnerschaft. Gib konkrete Tipps: Interesse zeigen, bei Problemen ein offenes Ohr haben, Pünktlichkeit und Pflichtbewusstsein vorleben und bei Fragen den Kontakt zum Betrieb suchen.
Dein Kompass für erfolgreiche Elterngespräche
Diese 40 Fragen sind dein Rüstzeug für die meisten Gespräche mit Eltern. Wenn du sie nicht nur beantworten, sondern die dahinterliegenden Bedürfnisse nach Sicherheit, Orientierung und Zukunftsperspektiven verstehen kannst, wandelst du ein Frage-Antwort-Spiel in einen echten Dialog auf Augenhöhe.
Ein praktischer Tipp: Erstelle ein kurzes FAQ-Blatt mit den wichtigsten Antworten und gib es den Eltern beim ersten Gespräch mit. Das zeigt Transparenz und Professionalität und nimmt vielen Sorgen von vornherein den Wind aus den Segeln.
Und vergiss nie die goldene Regel: Bei Minderjährigen sind die Eltern deine Partner im Boot. Bei Volljährigen ist der Lehrling dein alleiniger Vertragspartner, und die Eltern dürfen nur mit dessen ausdrücklicher Erlaubnis ins Boot geholt werden. Diese Grenze zu wahren, ist ein Zeichen höchsten Respekts und absoluter Professionalität.