Teil 7. Ausbilderprüfung - Die Wesentlichen Pflichten als Lehrling in Österreich
Einleitung: Deine Rolle als Ausbilder:in bei der Vermittlung und Einhaltung von Lehrlingspflichten
Als Ausbilderin oder Ausbilder spielst du eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung der Lehrzeit junger Menschen. Diese ist nicht nur eine Phase des Lernens und der beruflichen Entwicklung für den Lehrling, sondern erfordert auch die Übernahme spezifischer Verantwortlichkeiten seitens des Auszubildenden. Dieser Artikel soll dir helfen, die Pflichten der Lehrlinge klar zu verstehen, deren Einhaltung zu begleiten und somit die Ausbildung für beide Seiten erfolgreich zu gestalten.

Das Ausbildungsverhältnis basiert auf gegenseitigen Rechten und Pflichten. Während der Lehrbetrieb, vertreten durch dich als Ausbilder:in, für eine umfassende Ausbildung Sorge trägt und den Lehrling zum Berufsschulbesuch anhält, hat auch der Lehrling klar definierte Verpflichtungen. Das Berufsausbildungsgesetz (BAG) liefert hierfür die rechtliche Basis.Ein klares Verständnis dieser wechselseitigen Erwartungen ist entscheidend. Für dich als Ausbilder:in ist es wichtig zu erkennen, dass die Pflichten des Lehrlings nicht nur Forderungen sind, sondern auch Instrumente, um die Qualität der Ausbildung sicherzustellen und den Lehrling in seiner Entwicklung zu fördern. Die konsequente Begleitung und Einforderung dieser Pflichten ist Teil deiner Verantwortung und trägt maßgeblich dazu bei, dass der Lehrling die Bedeutung eines fairen Miteinanders versteht, bei dem beide Seiten ihren Beitrag leisten.
Die Gesetzliche Grundlage: Das Fundament für dein Handeln als Ausbilder:in
Die Pflichten eines Lehrlings sind klar im Berufsausbildungsgesetz (BAG) verankert, insbesondere in § 10 BAG.Für dich als Ausbilder:in ist die Kenntnis dieser gesetzlichen Grundlagen unerlässlich.

Sie bilden nicht nur die Basis für die Anforderungen an den Lehrling, wie etwa die Vorlagepflicht von Berufsschulzeugnissen und Unterlagen, sondern definieren auch den Rahmen für dein Handeln und deine Interventionsmöglichkeiten. Auch der Lehrvertrag und geltende Kollektivverträge können weitere spezifische Pflichten enthalten. Dieses Wissen stärkt deine Position und ermöglicht es dir, Erwartungen klar zu kommunizieren und deren Einhaltung konsequent zu begleiten.
Die Wesentlichen Pflichten des Lehrlings im Detail – und was das für dich als Ausbilder:in bedeutet:
Die erfolgreiche Ausbildung zur Fachkraft erfordert vom Lehrling die Übernahme zentraler Pflichten. Für dich als Ausbilder:in ist es entscheidend, diese Pflichten zu kennen, ihre Einhaltung zu überwachen und den Lehrling dabei zu unterstützen.
1. Lern- und Bemühungspflicht: Engagement aktiv fördern und einfordern
Die Kernpflicht des Lehrlings ist das aktive Bemühen, die berufsspezifischen Fertigkeiten und Kenntnisse zu erlernen.Dies geht über bloße Anwesenheit hinaus und erfordert eine proaktive Haltung: Aufmerksamkeit, Eigeninitiative, das Stellen von Fragen und ein sichtbares Interesse am Beruf.
Für dich als Ausbilder:in bedeutet das:
- Schaffe eine Lernumgebung, die Eigeninitiative fördert und Fragen zulässt.
- Beobachte den Lernfortschritt und die Einstellung des Lehrlings.
- Gib regelmäßig Feedback zum Engagement und zur Lernbereitschaft.
- Fordere aktives Mitdenken ein und motiviere den Lehrling, sich einzubringen. Deine Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen für das "Sich-Bemühen" zu schaffen und dieses auch aktiv einzufordern. Ein engagierter Lehrling ist ein Gewinn für den Betrieb und ein Zeichen erfolgreicher Ausbildungsarbeit.
2. Treuepflicht: Sensibilisierung für Vertraulichkeit und Loyalität
Lehrlinge erhalten Einblick in interne Abläufe und sensible Informationen. Daher ist die Treuepflicht, insbesondere die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, von zentraler Bedeutung.Diese Pflicht erstreckt sich auch auf das Unterlassen schädigender Handlungen oder ausbildungsabträglicher Nebentätigkeiten.Ein Verstoß kann gravierende Folgen haben, bis hin zur Entlassung.
Für dich als Ausbilder:in bedeutet das:
- Kläre den Lehrling zu Beginn der Ausbildung explizit über die Bedeutung und den Umfang der Treuepflicht auf.
- Definiere klar, was als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis gilt.
- Schaffe ein Bewusstsein für die Sensibilität von Unternehmensdaten.
- Sei ein Vorbild in Bezug auf Loyalität und Verschwiegenheit.
- Achte auf Anzeichen möglicher Verstöße und reagiere angemessen. Die Wahrung der Treuepflicht ist essenziell für den Schutz des Unternehmens.
3. Sorgfaltspflicht: Verantwortungsvollen Umgang mit Betriebsmitteln anleiten
Der Lehrling ist verpflichtet, mit den vom Betrieb zur Verfügung gestellten Arbeitsmitteln, Werkzeugen und Materialien sorgfältig und wirtschaftlich umzugehen.Dazu gehören die bestimmungsgemäße Nutzung, die Vermeidung von Verschwendung, das Sauberhalten des Arbeitsplatzes und die Meldung von Schäden.Die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften ist hierbei ebenfalls zentral.
Für dich als Ausbilder:in bedeutet das:
- Weise den Lehrling gründlich in den sachgemäßen Umgang mit allen Arbeitsmitteln und Materialien ein.
- Betone die wirtschaftliche Bedeutung und die Sicherheitsaspekte der Sorgfaltspflicht.
- Kontrolliere regelmäßig den Zustand der Arbeitsmittel und den Umgang des Lehrlings damit.
- Etabliere klare Prozesse für die Meldung von Schäden.
- Fördere ein Bewusstsein für Ordnung, Sauberkeit und Ressourcenschonung. Deine Anleitung ist entscheidend, um Kosten zu senken und die Arbeitssicherheit zu gewährleisten.
4. Meldepflicht bei Verhinderung: Klare Prozesse etablieren und einfordern
Bei jeglicher Verhinderung, sei es durch Krankheit oder andere Gründe, ist der Lehrling verpflichtet, den Lehrbetrieb unverzüglich zu informieren.Dies sollte idealerweise vor Arbeits- bzw. Schulbeginn geschehen, unter Angabe des Grundes und der voraussichtlichen Dauer.
Für dich als Ausbilder:in bedeutet das:
- Kommuniziere klar die betrieblichen Regelungen zur Krankmeldung und Abwesenheitsmeldung (Ansprechpartner, Zeitpunkt, Form, Notwendigkeit ärztlicher Atteste).
- Stelle sicher, dass der Lehrling diese Prozesse versteht und einhält.
- Dokumentiere Abwesenheiten und reagiere konsequent auf unentschuldigtes Fehlen oder verspätete Meldungen.
- Erkläre dem Lehrling die betriebliche Notwendigkeit dieser Meldepflicht für die Arbeitsorganisation. Unentschuldigtes Fernbleiben kann ein Entlassungsgrund sein.
5. Pflicht zum Besuch der Berufsschule: Kooperation und Kontrolle sicherstellen
Der regelmäßige und pünktliche Besuch der Berufsschule ist eine gesetzliche Pflicht des Lehrlings.Die dort verbrachte Zeit ist Arbeitszeit und wird vergütet.Als Lehrbetrieb seid ihr verpflichtet, den Lehrling für den Schulbesuch freizustellen und ihn dazu anzuhalten.
Für dich als Ausbilder:in bedeutet das:
- Stelle sicher, dass der Lehrling die Termine der Berufsschule kennt und wahrnimmt.
- Betone die Wichtigkeit der Berufsschule für den Ausbildungserfolg.
- Halte Kontakt zur Berufsschule und informiere dich über die Anwesenheit und Leistungen des Lehrlings.
- Sprich den Lehrling auf unentschuldigtes Fehlen oder Leistungsprobleme an. Unentschuldigtes Fernbleiben kann zur Auflösung des Lehrverhältnisses führen.Deine Rolle ist es, die Einhaltung dieser Pflicht aktiv zu unterstützen und zu überwachen.
6. Vorlage von Zeugnissen und Unterlagen: Transparenz für gezielte Förderung nutzen
Der Lehrling ist verpflichtet, dem Lehrbetrieb unaufgefordert das Berufsschulzeugnis sowie auf Verlangen auch Hefte und sonstige Schulunterlagen vorzulegen.Dies dient der Transparenz und ermöglicht es dir, den Lernfortschritt zu verfolgen.
Für dich als Ausbilder:in bedeutet das:
- Fordere die Vorlage der Zeugnisse und gegebenenfalls weiterer Unterlagen aktiv ein.
- Nutze diese Informationen, um den schulischen Leistungsstand des Lehrlings zu beurteilen.
- Sprich den Lehrling auf seine Leistungen an und biete bei Bedarf Unterstützung an oder leite Fördermaßnahmen ein.
- Diese Pflicht ist ein wichtiges Instrument für dich, um die Ausbildungserfolge zu sichern und die Kooperation zwischen Betrieb und Berufsschule zu stärken.
7. Einhaltung der Betriebsordnung und Weisungen: Rahmenbedingungen für ein sicheres Miteinander schaffen
Lehrlinge müssen sich in die betriebliche Ordnung einfügen und die Weisungen von Ausbildern und Vorgesetzten befolgen, sofern diese berufsbezogen, zumutbar und rechtmäßig sind.Dies umfasst Regelungen zu Arbeitszeiten, Sicherheit und dem allgemeinen Betriebsablauf. Wichtig ist, dass Lehrlinge nicht zu berufsfremden Tätigkeiten herangezogen werden dürfen, die nicht dem Ausbildungszweck dienen.
Für dich als Ausbilder:in bedeutet das:
- Mache den Lehrling mit der geltenden Betriebsordnung und den relevanten Sicherheitsvorschriften vertraut.
- Gib klare, verständliche und ausbildungsrelevante Weisungen.
- Achte darauf, dass die dem Lehrling übertragenen Aufgaben dem Ausbildungsrahmenplan und dem Berufsbild entsprechen.
- Sei ein Vorbild bei der Einhaltung von Regeln und fördere ein sicheres und faires Miteinander.
- Greife bei Verstößen gegen die Betriebsordnung oder Arbeitsanweisungen angemessen ein.
Zusammenfassung der Pflichten – Ein schneller Überblick für dich als Ausbilder:in
Die nachfolgende Tabelle fasst die wesentlichen Pflichten eines Lehrlings noch einmal übersichtlich zusammen:
Pflicht des Lehrlings | Kurzbeschreibung | Relevante Quelle (Beispiel) |
---|---|---|
Lern- und Bemühungspflicht | Aktives Erlernen der beruflichen Fertigkeiten und Kenntnisse. | |
Treuepflicht | Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, loyales Verhalten. | |
Sorgfaltspflicht | Achtsame Nutzung von Werkzeugen, Materialien und Firmeneigentum. | |
Meldepflicht bei Verhinderung | Sofortige Information des Lehrbetriebs bei Krankheit oder sonstiger Abwesenheit. | |
Pflicht zum Besuch der Berufsschule | Regelmäßige und pünktliche Teilnahme am Berufsschulunterricht. | |
Vorlage von Zeugnissen/Unterlagen | Auf Verlangen Zeugnisse und Hefte dem Lehrberechtigten zeigen. | |
Einhaltung der Betriebsordnung & Weisungen | Befolgen betrieblicher Regeln und ausbildungsbezogener Anweisungen. |
Warum die Einhaltung dieser Pflichten so wichtig ist – Deine Rolle und Verantwortung
Die konsequente Einhaltung der Lehrlingspflichten ist für den Ausbildungserfolg, die Sicherheit im Betrieb und ein positives Arbeitsklima unerlässlich. Für dich als Ausbilder:in und für den Betrieb ergeben sich daraus klare Vorteile:
- Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Ausbildung und qualifizierter Fachkräfte.
- Reibungslose Betriebsabläufe und Minimierung von Störungen.
- Ein positives und produktives Ausbildungsumfeld.
- Rechtssicherheit im Ausbildungsverhältnis.
Umgang mit Pflichtverletzungen aus deiner Sicht als Ausbilder:in: Es liegt in deiner Verantwortung, auf Pflichtverletzungen angemessen zu reagieren. Dies kann von einem klärenden Gespräch über eine mündliche oder schriftliche Ermahnung bis hin zu gravierenderen arbeitsrechtlichen Maßnahmen reichen. Bei wiederholten oder schweren Verstößen, wie z.B. der Verletzung der Bemühungspflicht, der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen oder unbefugtem Verlassen des Arbeitsplatzes, können auch eine außerordentliche Auflösung des Lehrvertrages oder eine Entlassung in Betracht kommen.Eine sorgfältige Dokumentation aller Vorfälle und Gespräche ist hierbei unerlässlich. Ziel ist es nicht, Lehrlinge zu bestrafen, sondern sie zur Einhaltung ihrer vertraglichen Pflichten anzuhalten und den Ausbildungserfolg für beide Seiten zu sichern. Ein klares Aufzeigen von Grenzen und Konsequenzen ist Teil deiner Führungsaufgabe und dient dem Schutz des Betriebs sowie dem Wert der Ausbildung.
Fazit: Mit klarer Führung und Unterstützung zum gemeinsamen Ausbildungserfolg
Als Ausbilder:in hast du maßgeblichen Einfluss darauf, dass die Lehrzeit für den Lehrling und den Betrieb erfolgreich verläuft. Indem du die Pflichten der Lehrlinge nicht nur kennst, sondern deren Einhaltung aktiv förderst und einforderst, schaffst du die Basis für eine qualitativ hochwertige Ausbildung.
Deine Aufgabe ist es, durch klare Kommunikation, Vorbildfunktion und konsequentes Handeln ein Umfeld zu gestalten, in dem Lehrlinge ihre Verantwortlichkeiten verstehen und wahrnehmen. Fördere eine offene Gesprächskultur, in der Fragen und Probleme angesprochen werden können. Begleite den Lernprozess aktiv und unterstütze die Lehrlinge dabei, die notwendigen Kompetenzen und das erforderliche Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln. So trägst du entscheidend dazu bei, dass deine Lehrlinge die Ausbildung erfolgreich meistern und zu wertvollen Fachkräften für euer Unternehmen heranwachsen.