14. Teil Ausbilderprüfung - Weiterbeschäftigungspflicht

In dieser Serie bereiten wir die wichtigsten Themen der österreichischen Ausbilderprüfung verständlich und praxisnah auf, damit du für die Prüfung perfekt gerüstet bist und den Ausbildungsalltag souverän meisterst – egal, ob Einsteiger oder erfahrene:r Ausbilder:in!

14. Teil Ausbilderprüfung - Weiterbeschäftigungspflicht
Photo by Cytonn Photography / Unsplash

Dein Lehrling hat die Lehrabschlussprüfung (LAP) bestanden. Das ist nicht nur für ihn oder sie ein riesiger Erfolg, sondern auch eine Bestätigung für deine hervorragende Arbeit als Ausbilder:in. Jahrelange Mühe, Geduld und dein Engagement haben sich ausgezahlt und eine neue Fachkraft für eure Branche geformt.

Doch bevor du und deine neue Fachkraft die Sektkorken knallen lasst, gibt es eine wichtige gesetzliche Regelung zu beachten, die den Übergang vom Lehrverhältnis ins reguläre Arbeitsleben gestaltet: die Weiterbeschäftigungspflicht nach § 18 des Berufsausbildungsgesetzes (BAG), oft auch „Behaltepflicht“ genannt. Vielleicht kennst du noch den älteren Begriff „Weiterverwendungspflicht“; dieser wurde 2020 durch den wertschätzenderen Ausdruck „Weiterbeschäftigungspflicht“ ersetzt, um die neue Rolle als vollwertige Fachkraft zu unterstreichen. 

Viele sehen diese Pflicht als eine rein administrative Hürde oder einen zusätzlichen Kostenfaktor. Doch das greift zu kurz. In Wahrheit ist diese Phase eine goldene Brücke. Sie gibt deiner frischgebackenen Fachkraft die Chance, das Gelernte sofort in der Praxis anzuwenden und im bekannten Umfeld erste Verantwortung zu übernehmen. Für dich und deinen Betrieb ist es die einmalige Gelegenheit, ein Talent, in das ihr bereits so viel Zeit und Energie investiert habt, langfristig zu binden – und das, bevor es sich auf dem offenen Arbeitsmarkt umsieht. Diese Zeit ist quasi ein verlängertes, risikofreies Job-Interview mit einem Kandidaten, den ihr bereits bestens kennt.

In diesem Leitfaden nehmen wir die Behaltepflicht ganz genau unter die Lupe. Wir klären, was das Gesetz vorschreibt, welche entscheidende Rolle der Kollektivvertrag spielt, wie die Bezahlung aussehen muss und welche vertraglichen Fallstricke du unbedingt vermeiden solltest. Am Ende wirst du bestens gerüstet sein, um diese wichtige Übergangsphase rechtssicher, fair und strategisch klug zu gestalten.

Die Gesetzliche Grundlage: Was § 18 BAG für dich als Ausbilder:in bedeutet

Die Basis für alles ist § 18 des Berufsausbildungsgesetzes (BAG).Dieses Gesetz schafft einen klaren Rahmen, der den Schutz des ausgelernten Lehrlings sicherstellen soll. Schauen wir uns die Kernpunkte an, die du als Ausbilder:in im Detail kennen und verstehen musst.  

Punkt 1: Die Dauer der Pflicht

Ganz grundsätzlich bist du als Lehrberechtigter verpflichtet, deinen ehemaligen Lehrling für drei Monate nach dem Ende der Lehrzeit im erlernten Beruf weiterzubeschäftigen.Diese drei Monate sind der gesetzliche Mindeststandard. Wie wir später sehen werden, kann dein Kollektivvertrag diese Dauer aber erheblich verlängern.  

Punkt 2: Der exakte Startzeitpunkt

Hier ist Präzision gefragt, denn der Beginn der Behaltepflicht hängt davon ab, wie das Lehrverhältnis endet. Es gibt zwei Hauptszenarien:

  • Szenario A (Der Regelfall): Ende durch Zeitablauf Die Lehrzeit endet wie im Lehrvertrag vereinbart, zum Beispiel am 31. Juli. Die dreimonatige Behaltepflicht beginnt dann direkt im Anschluss am 1. August. 
  • Szenario B (Der häufige Fall): Ende durch vorgezogene LAP Dein Lehrling tritt schon vor dem offiziellen Ende der Lehrzeit zur Lehrabschlussprüfung an und besteht diese. In diesem Fall endet das Lehrverhältnis rechtlich bereits mit Ablauf jener Kalenderwoche, in der die Prüfung erfolgreich abgelegt wurde (also am darauffolgenden Sonntag).Die Behaltepflicht beginnt dann sofort am Montag der nächsten Woche.  Beispiel: Die Lehrzeit würde regulär am 31. Juli enden. Dein Lehrling besteht die LAP aber bereits am Dienstag, den 15. Juni. Das Lehrverhältnis endet somit am Sonntag, den 20. Juni. Die dreimonatige Behaltepflicht startet folglich schon am Montag, den 21. Juni.

Punkt 3: Die Ausnahme – Verkürzte Pflicht bei Lehrbetriebswechsel

Eine wichtige Ausnahme betrifft Lehrlinge, die während ihrer Ausbildung den Betrieb gewechselt haben. Hat der Lehrling die Hälfte oder weniger als die Hälfte der für den Lehrberuf festgesetzten Lehrzeit bei dir im Betrieb absolviert, so halbiert sich auch deine Weiterbeschäftigungspflicht auf eineinhalb Monate

Beispiel: Ein Lehrling im Lehrberuf Mechatronik (Lehrzeit 3,5 Jahre = 42 Monate) war die ersten 24 Monate in einem anderen Betrieb und wechselt für die restlichen 18 Monate zu dir. Da 18 Monate weniger als die Hälfte von 42 Monaten sind, beträgt deine Behaltepflicht nur 1,5 Monate.

Punkt 4: Die Tätigkeit – Beschäftigung im erlernten Beruf

Das Gesetz ist hier eindeutig: Die Weiterbeschäftigung muss im erlernten Beruf erfolgen.Deine frischgebackene Fachkraft hat ein Recht darauf, die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten anzuwenden und zu vertiefen. Sie darf nicht für berufsfremde Hilfstätigkeiten wie das Putzen der Werkstatt, private Botengänge oder andere Aufgaben eingesetzt werden, die nichts mit ihrer Qualifikation zu tun haben. Dies ist die logische Fortsetzung des Grundsatzes, der schon während der Lehre gilt. 

Die Einseitigkeit der Verpflichtung: Der Lehrling hat die Wahl

Ein oft missverstandener Aspekt ist die Einseitigkeit dieser Regelung. Die Verpflichtung trifft ausschließlich dich als Arbeitgeber. Du musst das Angebot zur Weiterbeschäftigung unterbreiten. Der ausgelernte Lehrling hingegen ist völlig frei in seiner Entscheidung. Er oder sie kann das Angebot annehmen, um eine sichere Übergangsphase zu haben, oder es ablehnen und sofort nach Lehrzeitende zu einem anderen Unternehmen wechseln.Diese Wahlfreiheit gibt der neuen Fachkraft eine starke Position. Für dich bedeutet das: Die Behaltezeit ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern auch eine Bewährungsprobe. Du musst ein attraktiver Arbeitgeber sein, um das von dir ausgebildete Talent davon zu überzeugen, zu bleiben – selbst für die Dauer der gesetzlichen Pflicht.  

Mehr als nur ein Taschengeld: Die korrekte Entlohnung in der Behaltezeit

Hier lauert die größte und teuerste Falle für viele Betriebe: die Bezahlung. Sobald das Lehrverhältnis endet, ist das Lehrlingseinkommen Geschichte! Wer hier weitermacht wie bisher, riskiert empfindliche Nachzahlungen und rechtliche Konsequenzen.

Der Sprung zum Fachkräftegehalt

Mit dem ersten Tag der Weiterbeschäftigungszeit hat dein ehemaliger Lehrling Anspruch auf eine Entlohnung als facheinschlägig ausgebildete Arbeitskraft.Die rechtliche Grundlage dafür ist nicht mehr das Berufsausbildungsgesetz, sondern der für deine Branche geltende 

Kollektivvertrag (KV).

Um das korrekte Gehalt zu ermitteln, musst du drei Schritte durchführen:

  1. Identifiziere den richtigen Kollektivvertrag: Welcher KV ist für deinen Betrieb und deine Branche anwendbar? Ob Metallgewerbe, Handel, Gastronomie oder IT – jeder Bereich hat seine eigenen Regelungen. 
  2. Finde die richtige Einstufung: Suche im Kollektivvertrag nach den Lohn- oder Gehaltsgruppen (oft auch Beschäftigungsgruppen genannt). Deine neue Fachkraft ist nun in diejenige Gruppe einzustufen, die für ausgebildete Fachkräfte nach der Lehre vorgesehen ist. In der Regel ist das die unterste Facharbeiter- bzw. Angestelltengruppe. 
  3. Konsultiere die Gehalts- oder Lohntabelle: Die entsprechende Tabelle im KV zeigt dir das exakte kollektivvertragliche Mindestgehalt für diese Einstufung. Dieses Gehalt musst du mindestens zahlen.

Ein feiner, aber wichtiger Unterschied

Ein Detail, das oft übersehen wird, betrifft den Zeitpunkt der Lehrabschlussprüfung. Die Arbeiterkammer Steiermark weist auf eine wichtige Unterscheidung hin:  

  • Nach Ende der Lehrzeit, aber VOR bestandener LAP: Endet die Lehrzeit zum Beispiel durch Zeitablauf, die Prüfung findet aber erst später statt, gilt der Mitarbeiter in der Zwischenzeit als „angelernte/r Arbeiter/in“ oder „Angestellte/r“.
  • NACH bestandener LAP: Sobald die Prüfung erfolgreich absolviert ist, gilt der Mitarbeiter als „gelernte Fachkraft“.

Diese Unterscheidung kann im Kollektivvertrag zu einer unterschiedlichen, oft höheren Einstufung und damit zu einem höheren Gehalt führen. Prüfe diesen Punkt in deinem KV ganz genau, um Fehler zu vermeiden!

Der Dominoeffekt falscher Bezahlung

Einfach das Lehrlingseinkommen weiterzuzahlen, ist nicht nur ein kleiner Fehler, sondern löst eine kostspielige Kettenreaktion aus. Die Basis für viele Lohn- und Gehaltsbestandteile ist das Grundgehalt. Ist dieses zu niedrig angesetzt, sind alle davon abhängigen Berechnungen ebenfalls falsch. Das betrifft:

  • Sonderzahlungen: Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld (13. und 14. Gehalt) wird auf Basis des falschen, zu niedrigen Gehalts berechnet. 
  • Überstunden: Der Grundstundenlohn für die Berechnung von Überstundenzuschlägen ist falsch. Die Nachzahlung kann hier erheblich sein. 
  • Sozialversicherungsbeiträge: Du führst sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber zu niedrige Beiträge an die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) ab. Das führt nicht nur zu Nachzahlungen, sondern kann auch Beitragszuschläge (Strafen) nach sich ziehen. 
  • Betriebliche Vorsorge (Abfertigung Neu): Auch die Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse (BMSVG) sind zu niedrig, was den zukünftigen Abfertigungsanspruch des Mitarbeiters schmälert und korrigiert werden muss. 

Ein scheinbar kleiner Fehler bei der Lohnabrechnung kann sich so schnell zu einer großen finanziellen und administrativen Belastung summieren. Gehe hier also mit größter Sorgfalt vor!

Wenn der Kollektivvertrag mehr verlangt: Verlängerte Fristen und ihre Tücken

Du kennst jetzt die gesetzliche Mindestdauer von drei Monaten. Aber in der Praxis ist das oft nur die halbe Wahrheit. In Österreich gilt im Arbeitsrecht das Günstigkeitsprinzip. Das bedeutet vereinfacht: Wenn eine Regelung im Kollektivvertrag für den Arbeitnehmer günstiger ist als die im Gesetz, dann gilt die Regelung aus dem Kollektivvertrag. 

Für dich als Ausbilder:in heißt das unmissverständlich: Der Kollektivvertrag sticht das Gesetz. Und bei der Dauer der Behaltepflicht machen viele Kollektivverträge von diesem Recht Gebrauch und sehen deutlich längere Fristen vor.Die Unkenntnis dieser spezifischen KV-Regelungen ist eine der häufigsten und teuersten Fehlerquellen.  

Die folgende Tabelle gibt dir einen Überblick über einige der wichtigsten Branchen und ihre abweichenden Regelungen. Sie soll dir zeigen, wie wichtig der genaue Blick in deinen spezifischen KV ist.

Branche

Kollektivvertrag (Beispiel)

Gesetzliche Dauer (BAG)

Tatsächliche Dauer (KV)

Wichtige Anmerkungen

Standardfall

Alle Branchen ohne eigene KV-Regelung

3 Monate

3 Monate

Der gesetzliche Mindeststandard.

Metallgewerbe

KV für Arbeiter im Eisen- & metallverarb. Gewerbe

3 Monate

6 Monate

Gilt für gewerbliche Lehrlinge (Arbeiter).  

Metallindustrie

KV für Arbeiter der metalltechnischen Industrie

3 Monate

6 Monate

Oft mit Klausel zur Verlängerung auf das Monatsende.  

Handel

KV für Angestellte im Handel

3 Monate

5 Monate

Gilt für kaufmännische Lehrlinge (Angestellte).  

Transport & Verkehr

KV für das Güterbeförderungsgewerbe

3 Monate

Verlängert

Genaue Dauer muss im spezifischen KV geprüft werden.  

Diese Tabelle macht deutlich: Wer sich nur auf das Gesetz verlässt, begeht in vielen Schlüsselbranchen einen gravierenden Fehler. Ein Metallbetrieb, der einen ausgelernten Arbeiter nach drei Monaten gehen lässt, obwohl der KV sechs Monate vorschreibt, riskiert eine Klage auf Schadenersatz in der Höhe von drei weiteren Monatsgehältern. Der einzige Weg, um auf der sicheren Seite zu sein, ist die genaue Lektüre des für dich geltenden Kollektivvertrags.

Der Vertrag danach: Der entscheidende Unterschied zwischen befristet und unbefristet

Jetzt wird es strategisch. Dieser Punkt ist vielleicht der wichtigste Ratschlag in diesem ganzen Leitfaden, denn er kann dir viel Geld, Zeit und Nerven sparen. Die Behaltepflicht bedeutet nicht, dass der alte Lehrvertrag einfach weiterläuft. Rechtlich gesehen beginnt mit dem Ende der Lehre ein völlig neues Arbeitsverhältnis als Arbeiter oder Angestellter.Du musst dieses neue Verhältnis aktiv und klug gestalten.  

Dafür hast du zwei Möglichkeiten, und eine davon ist mit Abstand die bessere.

Option 1 (Die kluge und sichere Wahl): Das befristete Arbeitsverhältnis

Die beste Vorgehensweise ist, mit deinem ehemaligen Lehrling eine schriftliche Zusatzvereinbarung oder einen neuen, kurzen Arbeitsvertrag abzuschließen, der exakt für die Dauer der Behaltepflicht befristet ist. 

  • So funktioniert's: Du setzt einen Vertrag auf, der zum Beispiel am 1. August beginnt und (bei 3 Monaten Pflicht) am 31. Oktober endet. Darin wird das Gehalt laut KV, die Tätigkeit und die Befristung klar festgehalten.
  • Der riesige Vorteil: Das Arbeitsverhältnis endet an dem vereinbarten Datum automatisch, ohne dass eine Kündigung notwendig ist. Es gibt keine Kündigungsfristen oder -termine zu beachten. Es ist eine saubere, klare und für beide Seiten transparente Lösung. 
  • Pro-Tipp: Diese Vereinbarung über ein befristetes Anschlussverhältnis kann idealerweise schon bei Abschluss des Lehrvertrages als Zusatz für den Fall der Fälle aufgenommen werden. Spätestens aber solltest du sie gegen Ende der Lehrzeit abschließen. 

Option 2 (Die riskante und teure Wahl): Das unbefristete Arbeitsverhältnis

Wenn du nichts tust und dein Mitarbeiter nach Ende der Lehre einfach weiterarbeitet und sein neues Gehalt bekommt, entsteht durch schlüssiges Verhalten automatisch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Und hier schnappt die Falle zu.

  • Das Problem: Willst du das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Behaltezeit beenden, musst du eine formelle, ordentliche Kündigung aussprechen. Dabei musst du die im Gesetz oder Kollektivvertrag festgelegten Kündigungsfristen und -termine einhalten.
  • Die Kostenfalle: Der entscheidende Punkt ist: Die Kündigungsfrist darf zwar während der Behaltezeit ausgesprochen werden, das Arbeitsverhältnis selbst darf aber frühestens am Tag nach dem Ende der Behaltepflicht enden.Das führt fast immer zu einer längeren Beschäftigungsdauer, als du eigentlich geplant hast.  

Ein Rechenbeispiel zur Verdeutlichung:

  • Annahme: In deiner Branche gilt laut KV eine Behaltepflicht von 6 Monaten und eine Kündigungsfrist für den Arbeitgeber von 6 Wochen.
  • Ende der Behaltepflicht: 31. August.
  • Dein Plan: Du willst den Mitarbeiter nur die 6 Monate beschäftigen.
  • Die Realität mit unbefristetem Vertrag: Du musst die Kündigung so aussprechen, dass die 6-wöchige Kündigungsfrist erst nach dem 31. August endet. Das Arbeitsverhältnis würde also erst Mitte Oktober enden. Du zahlst somit eineinhalb Monate länger Gehalt, als du dachtest.

Mit einem einfachen, befristeten Vertrag wäre das Arbeitsverhältnis sauber am 31. August ausgelaufen. Die Wahl der Vertragsform ist also keine Formalität, sondern eine zentrale strategische Entscheidung.

Sonderfälle im Betriebsalltag: Präsenzdienst, Mutterschutz & Co.

Manchmal kommt das Leben dazwischen und durchkreuzt die Pläne. Was passiert, wenn deine neue Fachkraft während der Behaltezeit zum Bundesheer einberufen wird oder eine Mitarbeiterin ihre Schwangerschaft bekannt gibt? Das Gesetz hat hierfür klare Regelungen, die auf dem Prinzip der „Hemmung“ basieren. Das bedeutet, die Behaltepflicht wird nicht aufgehoben, sondern nur „eingefroren“ oder pausiert. 

Präsenz- und Zivildienst

Wird dein Mitarbeiter zum Präsenz- oder Zivildienst einberufen, wird der Ablauf der Weiterbeschäftigungszeit gehemmt. 

  • So funktioniert's: Die Behaltepflicht wird mit dem Tag des Einrückens unterbrochen. Der noch offene Teil der Frist läuft erst weiter, nachdem der Dienst vollständig abgeleistet ist und der Mitarbeiter seine Arbeit wieder aufnimmt.
  • Beispiel: Dein Mitarbeiter hat eine 3-monatige Behaltepflicht, die am 1. Juni beginnt. Er rückt am 1. Juli zum Bundesheer ein. Zu diesem Zeitpunkt hat er 1 Monat der Pflicht erfüllt. Er kehrt am 31. Dezember aus dem Dienst zurück. Die restlichen 2 Monate der Behaltepflicht laufen dann ab seinem Wiederantritt im Jänner weiter.
  • Wichtiger Hinweis: Während des Dienstes und für einen Monat danach genießt der Mitarbeiter einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz nach dem Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz (APSG). 

Schwangerschaft und Mutterschutz

Auch bei einer Schwangerschaft wird die Behaltepflicht durch die gesetzlichen Schutzfristen gehemmt. 

  • So funktioniert's: Die Weiterbeschäftigungszeit wird während des absoluten Beschäftigungsverbots (in der Regel 8 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt) pausiert.
  • Auswirkung auf befristete Verträge: Besonders wichtig ist dies, wenn du einen befristeten Vertrag für die Dauer der Behaltezeit abgeschlossen hast. Dieser Vertrag endet nicht einfach während des Mutterschutzes. Seine Dauer verlängert sich automatisch um die Zeit des Beschäftigungsverbots. Die restliche Behaltezeit muss nach Ende des Mutterschutzes erfüllt werden. 
  • Kündigungsschutz: Zudem besteht während der Schwangerschaft und bis vier Monate nach der Geburt (bzw. bis vier Wochen nach einer Karenz) ein umfassender Kündigungs- und Entlassungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz (MSchG). 

Diese Sonderfälle zeigen, dass es nicht ausreicht, die Regeln nur zu kennen. Sie erfordern von dir und deiner Personalabteilung ein aktives Management. Verträge müssen angepasst, Fristen neu berechnet und der besondere Kündigungsschutz beachtet werden. Eine gute Kommunikation und proaktives Handeln sind hier entscheidend, um rechtlich auf der sicheren Seite zu bleiben.

Der Notausgang: Wann und wie du eine Befreiung von der Pflicht beantragen kannst

Was, wenn es wirtschaftlich einfach nicht mehr geht? Wenn ein Großauftrag weggebrochen ist, die Auftragslage dramatisch eingebrochen ist oder dein Betrieb saisonal bedingt für einige Monate schließt? Für solche nachweislichen Härtefälle sieht das Gesetz einen „Notausgang“ vor. Du kannst beantragen, von der Weiterbeschäftigungspflicht ganz oder teilweise befreit zu werden. 

Die strengen Voraussetzungen

Dieser Weg ist aber keine einfache Formalität, sondern an strenge Bedingungen geknüpft. Du kannst eine gänzliche Erlassung der Pflicht oder die Bewilligung zur vorzeitigen Kündigung beantragen, wenn du nachweisen kannst, dass die Erfüllung der Verpflichtung aus „erheblichen wirtschaftlichen Gründen“ nicht möglich ist. 

Das ist keine Floskel – du musst deine wirtschaftliche Notlage objektiv und überzeugend belegen können, zum Beispiel durch Auftragsbücher, Bilanzen oder andere betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Ein klassisches Beispiel sind Saisongewerbe, die im Winter schließen. 

Der Antragsprozess

Der Prozess ist klar geregelt und involviert die Sozialpartner, was die hohe soziale Bedeutung dieser Schutzbestimmung unterstreicht:

  1. Du musst einen schriftlichen und gut begründeten Antrag bei der Lehrlingsstelle deiner zuständigen Wirtschaftskammer (WKO) einreichen. 
  2. Die Entscheidung wird von der WKO und der Kammer für Arbeiter und Angestellte (AK) im Einvernehmen getroffen. Sie haben dafür eine Frist von 14 Tagen. 
  3. Können sich die beiden Kammern nicht einigen, entscheidet die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde (z.B. Bezirkshauptmannschaft) endgültig über den Antrag. 

Der Experten-Tipp: Der Eventualantrag

Rechtsexperten raten dringend dazu, nicht nur die gänzliche Befreiung zu beantragen, sondern im selben Schreiben auch einen „Eventualantrag“ auf Bewilligung zur vorzeitigen Kündigung zu stellen.Der Grund ist pragmatisch: Sollte über deinen Hauptantrag nicht rechtzeitig vor Beginn der Behaltezeit entschieden werden, könnte deinem Eventualantrag stattgegeben werden. So sicherst du dir eine zweite Möglichkeit, die Verpflichtung zu verkürzen, falls die wirtschaftlichen Gründe zwar anerkannt werden, eine gänzliche Befreiung aber nicht mehr möglich ist.  

Die Konsequenz: Die Sperre für neue Lehrlinge

Wird deinem Antrag stattgegeben, hat das eine wichtige Konsequenz: Du darfst für die Dauer der erlassenen Behaltepflicht keinen neuen Lehrling in diesem Lehrberuf einstellen.Diese Regelung soll verhindern, dass Betriebe die Behaltepflicht umgehen, nur um sofort einen günstigeren, neuen Lehrling einzustellen. Der Schutz der frisch ausgelernten Fachkraft hat hier klaren Vorrang.

Fazit: Deine Checkliste für eine reibungslose Übergangsphase

Puh, das war eine Menge an Information. Die Weiterbeschäftigungspflicht ist ein komplexes Thema mit vielen Details, die man beachten muss. Aber keine Sorge, wenn du die Grundprinzipien verstanden hast und sorgfältig vorgehst, ist es gut zu meistern. Hier ist deine persönliche Checkliste, um in der Praxis alles richtig zu machen:

Checkliste: Die Behaltepflicht meistern

  • [ ] Kollektivvertrag prüfen: Das ist der wichtigste erste Schritt! Wie lange ist die Behaltepflicht in meiner Branche wirklich? 3, 5, oder 6 Monate? Gibt es eine Regelung zur Verlängerung auf das Monatsende?
  • [ ] Korrektes Gehalt ermitteln: Schlage die Lohn- oder Gehaltsgruppe für ausgebildete Fachkräfte im KV nach und zahle dieses Gehalt ab dem ersten Tag der Behaltezeit. Vergiss das Lehrlingseinkommen!
  • [ ] Befristeten Vertrag aufsetzen: Lasse den ehemaligen Lehrling eine klare, schriftliche und für die Dauer der Behaltepflicht befristete Vereinbarung unterschreiben. Das ist die sauberste und sicherste Lösung.
  • [ ] Startzeitpunkt exakt klären: Endet die Lehre regulär durch Zeitablauf oder durch eine vorgezogene, bestandene LAP? Halte das Startdatum der Behaltepflicht genau fest.
  • [ ] Sonderfälle im Auge behalten: Informiere bei Präsenzdienst oder Schwangerschaft sofort die Personalabteilung. Die „Pausierung“ der Frist und der besondere Kündigungsschutz müssen aktiv verwaltet werden.
  • [ ] Befreiung nur im echten Notfall: Stelle einen Antrag auf Erlassung nur bei nachweislich schweren wirtschaftlichen Gründen. Begründe ihn gut und denke an den Eventualantrag.

Betrachte die Weiterbeschäftigung nicht als lästige Pflicht, sondern als das, was sie im besten Fall sein kann: Die beste Gelegenheit, eine von dir selbst ausgebildete, loyale und kompetente Fachkraft langfristig an dein Unternehmen zu binden. Es ist die Belohnung für deine gute Arbeit als Ausbilder:in und eine wertvolle Investition in die Zukunft deines Betriebs.